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Neues AfD-Bauernopfer: Nerstheimer wird gehen, Höcke wird bleiben

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Es waren Parlamentswahlen, das AfD-Personal wird bekannt und die AfD-Führung erhält die Gelegenheit mittels Bauernopfern ihre Hände in Unschuld zu waschen. Diesmal wird wohl Kay Nerstheimer dran glauben müssen, er wurde in Berlin als Direktkandidat der AfD gewählt.

Roland Sieber machte in der Publikative bekannt, dass Nerstheimer Mitglied in der rechtsextremen „German Defence League“ gewesen ist. Nerstheimer wollte als „Division Leader“ die GDL zu einer paramilitärischen Miliz ausbauen und posierte mit Waffe und Uniform. Anscheinend war er selbst dieser rechtsextremen Gruppierung zu radikal, er wurde Mitglied der AfD und dort Direktkandidat.

Nerstheimer

Er wird daher ähnlich wie Gedeon in Baden-Württemberg kein Mitglied der AfD-Fraktion in Berlin werden. Und die AfD wird sagen, sie seien keine Rechtsextremen, das zeige sich daran, dass solche Leute wie Nerstheimer keinen Platz in ihren Reihen hätten. Ob er aus der AfD ausgeschlossen wird, ist fraglich. Auch Gedeon ist noch Mitglied in der AfD. Aber das alles ist irrelevant, solange Björn Höcke in der AfD immer stärker wird. Ideologisch unterscheidet sich Höcke nicht besonders von Nerstheimer. Als verbeamteter Lehrer durfte er bestimmte Dinge nicht öffentlich sagen, alle Indizien sprechen aber dafür, dass er sich eines Pseudonyms bediente, um den Nationalsozialismus zu glorifizieren, von der Polarität der Geschlechter und der Rassenbiologie zu schwärmen. Allerdings ging die Person hinter diesem Pseudonym ein Schritt weiter als Nerstheimer: Mit einer Revolution solle die NS-Wirtschaft auf rassenbiologischer Grundlage wiederhergestellt werden.

Höcke ist in der AfD unangetastet, gegen Nerstheimer wird es wie gegen Gedeon irgendeine Maßnahme geben. Bauernopfer. Derweil wird der völkische bzw. faschistische Flügel der AfD immer weiter ausgebaut. Heute geht es wieder los mit den Erfurter Demonstrationen.

 



Desistierender Journalismus und faschistische Entwicklung

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Das Erstarken der AfD und vor allem das Erstarken der faschistischen Strömung um Björn Höcke kann weitgehend auf einen Journalismus zurückgeführt werden, der seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt. Von konservativen Journalisten wurde vor knapp 25 Jahren die Newspeak-Vokabal PC zur Abwehr einer kritisch-emanzipatorischen Sprache importiert und sehr schnell und sehr breit in den allgemeinen Wortschatz eingeführt. Nicht nur die damals noch randständige Junge Freiheit, sondern auch ihr etablierterer Gegenpol, die taz, und alle möglichen Zeitungen dazwischen sorgten für die Verbreitung des Begriffspaares „Politische Korrektheit“, die es fortan ermöglichte, von Argumenten abzusehen, indem formal eine „Correctness“ unterstellt wurde. Mit dem konservativen Kampfbegriff „Politische Korrektheit“ wurde die Sprache um ein Element erweitert, welches mit Ankündigung die Kommunikation entpolitisierte. Denn bemängelt wird von den Benutzer*innen dieses Kampfbegriffs ja nicht die „Korrektheit“, im Gegenteil, gerade die Konservativen fordern ja mehr Korrektheiten entlang von Leitbildern, sondern kritisiert wird das Politische im Rahmen emanzipatorischer Wortergreifungen. Die Anti-PC-Strategie dient dem Desistieren, dem Absehen von Argumenten.

Mit Anti-PC als strategischer Vorbereitung konnte 2010 die Schraube der Anti-Emanzipation erheblich weitergedreht werden. Mit einer noch nie zuvor da gewesenen Medienkampagne wurde ein Buch im Bertelsmann-Verlag auf dem Markt geschmissen, dass unabhängig von Inhalten, alleine nur aufgrund der konzertierten Medienkampagne ein Bestseller werden musste. Inhaltlich hätte das Buch „Deuschland schafft sich ab“ eigentlich in einen rechtsextremen Kleinverlag gehört, wie „Die IQ-Falle“ von Volkmar Weiss, aus dessen Buch Thilo Sarrazin ja tatsächlich plagiierte. Eher noch hätte „Die IQ-Falle“ ein Bestseller werden können als sein Teilplagiat „Deutschland schafft sich ab“, weil der Rassist Weiss sich in seiner Materie der Rassenbiologie auskennt, während Sarrazin nur drittklassig abkupfern konnte. Dass dennoch „Deutschland schafft sich ab“ zu einem Mega-Bestseller wurde, lag an dem Willen der Verantwortlichen von Bertelsmann, BILD, SPIEGEL usw. dieses Buch zu einem Bestseller machen zu wollen. Dass es sich um ein Machwerk der Rassenhygiene handelt, hätte man wissen müssen. Im Vordergrund stand jedoch nicht der Inhalt – von diesem wurde abgesehen -, im Vordergrund stand die Aussage „Das wird man ja noch wohl sagen dürfen“. Der Journalismus-Professor Michael Haller sah die Medien auch in der sogenannten Sarrazin-Debatte in der Verantwortung: „Die Mainstrem-Medien setzen sich auf ein populäres Thema wie ein Heuschrecken-Schwarm und fressen das Thema kahl. Dann fliegen sie weiter zu einem neuen angesagten Thema. Diesen Medien geht es nicht um Aufklärung, sondern um das Spektakel. („Die Schuld der Medien am Spektakel um Sarrazin“, Interview in da.standard vom 30.07.2012)

Mit der Sarrazin-Debatte wurde ein Klima geschaffen, in welchem eine anti-emanzipatorische, rassistische, klassistische, sexistische Partei entstehen konnte. Damals wurde bereits gefragt, wo die „Sarrazin-Partei“ bliebe. Und kaum gab es die ersten Regungen für diese neue Partei, waren die Medien bereit, weitgehend unkritisch, also desistierend, in großen Lettern über sie zu schreiben. Die WELT hatte ausgerechnet Günther Lachmann zum Chef-Reporter der AfD gemacht. Und Lachmann war es auch, der die Vorgänger-Organisation der AfD, einen kleinen Verein mit dem Namen „Wahlalternative 2013“ mit einem Schlag bekannt machte. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die „Wahlalternative“ gerade mal über eine kleine Facebook-Seite. Mit dem WELT-Artikel Lachmanns jedoch war sie in allen Medien Thema und noch vor dem Gründungsparteitag waren die Spitzenpolitiker der AfD in vier großen Talkshows zu sehen. Lachmann blieb der Journalist mit den besten Insider-Informationen, er berichtete häufiger als irgendein anderer Journalist über die AfD und die WELT bot ihm die entsprechende Verbreitungsplattform – zumindest solange bis die AfD von sich aus öffentlich machte, dass Lachmann sich ihnen andienen wollte. Erst dann entließ Stefan Aust seinen AfD-Top-Journalisten mit dem Hinweis auf „unseriösem Journalismus“. Wie weit rechts Lachmann tatsächlich stand, hätte mühelos an seinem Blog „Geolitico“ abgelesen werden können. Heute ist Lachmann angestellt in der Thüringer Landesfraktion der AfD und arbeitet als Medienberater für Björn Höcke.

Wären die Medien kritischer gewesen in den letzten Monaten, und mit „kritischer“ meine ich insistierender, wäre Höcke schon längst Geschichte. In seiner Auseinandersetzung um seine mehr als rechte politische Vergangenheit mit dem ehemaligen AfD-Vorstand um Bernd Lucke, hakten die Medien nicht nach. Lachmann sprang Höcke damals schon zur Seite und griff den AfD-Vorstand an: Es sei unglaublich, so Lachmann, dass der Bundesvorstand auf Grundlage eines „linken Blogs“ von einem Landeschef verlange, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben und ihn zu drängen, einen Prozess gegen den „linken Blogger“ zu führen. Lachmann kann man kein „Versagen“ vorwerfen, er war schon immer Partei. Aber nicht so sehr die Parteilichkeit ist das Problem (diese wurde es für die WELT-Gruppe, die viel zu spät zu erkennen schien, wen sie da zum Chef-Journalisten in Sachen AfD gemacht hatte), sondern die desistierende Haltung. Für einen Redakteur der Thüringer Allgemeinen war entsprechend der Fall Höcke geklärt, als der mehrfach vorbestrafte Neonazi Thorsten Heise süffisant mitteilte, Höcke verberge sich nicht hinter dem Pseudonym eines Autoren seiner Magazine. Der Neonazi sagt, Höcke sei kein Neonazi – Fall geklärt. Ein derartiger Auswuchs von Anti-Journalismus (eigene Recherchen fanden nicht statt, eine hartnäckige Konfrontation mit den Fakten erst recht nicht) ist eher typisch als die Ausnahme. Selbst in einem der besseren Interviews in der Sarrazin-Debatte verzichtete seinerzeit Schirrmacher in der FAZ auf ein Nachbohren. Schirrmacher hatte Sarrazin gefragt, was er mit dem Rassisten Volkmar Weiss zu tun habe. Sarrazin behauptete, er habe sich auf Weiss nur als DDR-Experten bezogen, was nachweislich falsch ist, um nicht zu sagen, dreist gelogen. Doch ein weiteres Inistieren, Nachbohren, Überführen fehlte: dass Sarrazin die Unwahrheit gesagt hatte, warum er die Unwahreit sagte, ob er noch an anderen Stellen die Unwahrheit sagte usw. Und wie gesagt, das war damals eines der besseren Interviews, immerhin konfrontierte Schirrmacher Sarrazin mit Weiss, die meisten Journalisten wussten wahrscheinlich gar nicht was Eugenik/Rassenhygiene, geschweige denn, wer Weiss ist.

Björn Höcke ist einer der führenden AfD-Politiker. Und die AfD zieht seit dem Rechtsruck nach dem Essener Parteitag in jedes Parlament mit einem satten zweistelligen Ergebnis ein, sieht sich selbst inzwischen europaweit als „Klammer“ aller rechten Parteien und setzt sich in Deutschland an die Spitze einer gefährlichen nationalistischen Bewegung, die kontinuierlich stärker wird. Es wäre die Aufgabe des Journalismus zu insistieren. Und diese Aufgabe hat sie aus zweierlei Gründen. Zum einen, weil es um die Sache selber geht. Der Journalismus sollte ein Korrektiv zu den Halbwahrheiten und Schweigekartellen der Parteipolitik sein. Der Journalismus muss nerven, immer wieder und wieder die selben Fragen stellen, bis die Hintergründe endlich aufgedeckt sind. Er muss beharren, darf sich nicht auf irgendwelches Geschwätz einlassen. Wenn Höcke selbstherrlich mit der Einstellung von Lachmann als Medienberater verkündet, die „Zeit der Rechtfertigung“ sei beendet“, dann soll er eben in seiner selbstgewählten Verbannung vegetieren. Es gibt andere AfD-Politiker*innen und diese müssten dann mit Höcke konfrontiert werden, wieder und wieder, insistierend: Wie sah das letzte Amtsenthebungsverfahren gegen Höcke aus? Gibt es Protokolle? War das Schiedsgericht objektiv? Wird es ein neues Amtsenthebungsverfahren geben? Wie bewerten Sie die Anschuldigungen? Warum bewerten Sie sie so? Was sagen sie zu den Indizien, dass Höcke sehr wahrscheinlich unter Pseudonym NS-verherrlichende Texte geschrieben hat? Kennen Sie die Indizien? Tolerieren Sie einen Nazi als führenden AfD-Funktionär?

Zum anderen ist dieser insistierende Journalismus auch als Vorbild wichtig. Es geht um das Beharren auf den Austausch von Argumenten. Es geht um die Wertschätzung von Argumenten. Schaut man sich sogenannte „Diskussionen“ im Internet an, dann handelt es sich meistens um ein Zuklatschen mit Meinungen, egal was der*die andere sagt. Für eine argumentative Auseinandersetzung ist jedoch das Beharren auf Fragen, Antworten und Argumenten wichtig. Journalist*innen müssen solange auf die Beantwortung einer unangenehmen Frage beharren, bis sie beantwortet ist. Und diese Fragen müssen relevant sein, denn erst die Relevanz rechtfertigt das Insistieren. Relevante Fragen zuerst, gibt es hier keine erschöpfenden Antworten, muss insistiert werden, statt zu irrelevanten Fragen überzugehen. Wurde schon zuvor einem Kollegen oder einer Kollegin die Antwort auf eine relevante Frage verweigert, wird diese selbstverständlich wieder aufgegriffen. Der Journalismus hat hinsichtlich des detektivischen Insistierens auf gute Argumentation einen Vorbildcharakter für die Medienkompetenz der Bevölkerung, bzw. er sollte ihn haben. Aktuell scheint es eher, als nehme sich der Journalismus ein Vorbild am desistierenden Charakter der Kommentarspalten.


Working Class Academics – Zur doppelten gesellschaftlichen Wirksamkeit ihrer politischen Selbstorganisierung: Soziale Selektion abschaffen und Faschisierungsprozesse verhindern

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In diesem Artikel werden drei Thesen vertreten: Es finden Faschisierungsprozesse statt; ermöglicht werden diese unter anderem durch das sozial selektive Bildungssystem; es sind Working Class Intellectuals (Menschen mit „niedriger“ sozialer Herkunft, die sich ohne oder mit Studium (studierende Arbeiter*innenkinder bzw. Working Class/Poverty Class Academics)) intellektualisieren, die das Bildungssystem von der sozialen Selektivität befreien können und zudem noch Kontakt haben mit den gesellschaftlichen Gruppen, die hauptsächlich extrem rechte Parteien wählen. Entsprechend dieser drei Thesen ist der Artikel in drei Abschnitte aufgeteilt.

Faschismusgefahr

Spätestens mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem damit verbundenen Schock ist die Frage erlaubt, ob ein neuer Faschismus droht. Beispielhaft hierfür sind die Aussagen von Jakob Augstein in einer Spiegel-Kolumne:

„Alle reden von Rechtspopulismus. Das ist eine Verharmlosung. Wir erleben die Rückkehr des Faschismus. Die Demokratie hat die Gefahr verschlafen. Jetzt ist es zu spät: In den USA ist ein Faschist an die Macht gekommen. […] Faschismus. Das Wort hatten wir lange nicht. Alle reden vom Rechtspopulismus – blanke Verniedlichung. Donald Trump ist kein Rechtspopulist – er ist ein Faschist. Marine Le Pen ist keine Rechtspopulistin – sie ist eine Faschistin. Und was Frauke Petry ist, das werden wir noch sehen.“

Bis zur Wahl von Trump waren es vor allem Pegida-Teilnehmer*innen und AfD-Politiker*innen, die von „Faschismus“ sprachen: von den „rot-lackierten Faschisten“, von der „SA-Antifa“, vom „Meinungsfaschismus“ (mit der Vereinahmung des Antifaschisten George Orwell), von der Gleichsetzung des „Gutmenschentums“ mit dem „Dritten Totalitarismus“ und dem „Nationalsozialismus“, der als „Sozialismus“ angeblich eine „linke“ Bewegung gewesen sei. Allen voran forderte Jürgen Elsässer im Editorial seines „Compact-Magazins“, wir dürften nicht mehr vom „braunen Faschismus“, wir müssten vom „roten Faschismus“ reden. Im Zusammenhang mit der Vereinnahmung des Begriffs „Alternative“, der gegen die Alternativbewegung gewendet wurde, besteht auch die Tendenz, den Begriff „Faschismus“ gegen emanzipatorische und demokratische Intitiaven zu wenden, also Antifaschismus als „Faschismus“ zu diffamieren. Dies allein macht nötig, den Begriff „Faschismus“ zu definieren.

Was ist Faschismus? Zunächst ist nicht das Faschismus, was Elsässer / Pediga / AfD gerne als Faschismus diffamieren würden. Ich war dieses Jahr in Barcelona und habe dort George Orwells „Homage to Catalonia“ gelesen. Genau vor siebzig Jahren, 1936, hatte sich Orwell bei den Internationalen Brigaden gemeldet, um als Antifaschist in Barcelona und Katalonien gegen die falangistischen Putschisten unter Franco zu kämpfen. Ideologischer Kopf und „Mätyrer“ der Falangisten war José Antonio Primo de Rivera. George Orwell und Primo de Rivera stehen sich ideologisch so sehr diametral gegenüber, dass Orwell freiwillig sein Leben riskierte (ein Halsdurchschuss hätte ihn beinah getötet), um Katalonien vor dem Falangismus zu schützen. Der neurechte AfD-Flügel um Björn Höcke hingegen steht in der Tradition des Falangismus. Höcke berief sich noch vor kurzem auf den neurechten Vordenker Armin Mohler, der sich wiederum positiv und explizit auf den Faschismus Primo de Riveras bezog: Mohler sagt über sich selber, er sei ein Faschist „im Sinne Primo de Riveras“. Im Artikel Höckes zum „Konservatismus“ ist Armin Mohler die einzige positive Referenz („Armin Mohler, ein großer konservativer Denker“). Ich hatte bereits vor einem Jahr in einer Expertise herausgearbeitet, dass Höcke keine konservative Ideologie vertritt, sondern eine faschistische Ideologie („»… Die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden«. Zur Differenz von Konservativismus und Faschismus am Beispiel der »Historischen Mission« Björn Höckes (AfD)“).

Mit meiner Auswertung der Reden und Interviews von Björn Höcke als zentraler Figur des rechten Flügels in der AfD konnte ich nachweisen, dass Björn Höcke idealtypisch eine faschistische Ideologie vertritt, wie sie der britische Faschismusforscher Roger Griffin definiert. Griffin und viele weitere Faschismusexperten lehnen es ab, Trump, Le Pen oder die AfD als „faschistisch“ zu definieren.http://www.vox.com/policy-and-politics/2015/12/10/9886152/donald-trump-fascism https://divinity.uchicago.edu/sightings/last-trump Was Höcke von der Mainstream-AfD, von Trump, UKIP und dem Front National unter Marine Le Pen unterscheidet, ist vor allem das Beharren auf einen radikalen Systemwechsel. Wie ich nachweisen konnte, arbeitet Höcke zudem mit dem Netzwerk des militanten Neonazis Thorsten Heise zusammen. Es gibt derart viele „Überzufälligkeiten“ zwischen den Verlautbarungen Höckes mit denen eines Autoren von Thorsten Heises Magazinen mit dem Pseudonym „Landolf Ladig“, dass die einzige plausible Erklärung die Identität von Höcke und „Ladig“ ist. Und „Ladig“ forderte eine Revolution, um die NS-Wirtschaftspolitik mit ihrer rassenbiologischen Grundierung wieder herzustellen. Der alte AfD-Vorstand unter Lucke und Henkel forderte kurz vor seiner Absetzung eine Klärung in dieser Sache, Höcke sollte mich anzeigen und eine juristische Klärung anstreben, eine eidestattliche Versicherung abgeben, dass meine Recherche-Ergebnisse falsch seien. Obwohl Höcke nicht zimperlich ist, wenn es gilt, politische Gegner anzuzeigen, unternahm er hier keine Schritte der Verteidigung. Sollten meine Schlussfolgerungen richtig sein – und andere bieten sich nicht an – würde Höcke nicht einfach nur eine faschistische, sondern eine nationalsozialistische Ideologie vertreten. Hinzu kommt die Rhetorik Höckes, die nicht nur eine faschistische Ideologie widerspiegelt, sondern in weiten Teilen eine NS-Rhetorik ist. Wenn aber ein Geschichtslehrer wie Höcke beinahe jede Verlautbarung nutzt, um neue NS-Begrifflichkeiten aufzunehmen, so kann dies ebenfalls nicht mit „Zufall“ verhamlost werden, sondern er macht dies absichtlich. Die Frage ist, warum er die NS-Sprache wieder sprechbar machen möchte. Es wäre also falsch zu behaupten, Höcke sei kein Nazi. Die Achtsamkeit, die im Umgang mit dem Begriff „Nazi“ geboten ist, gilt in zwei Richtungen: Wir dürfen nicht vorschnell Menschen als „Nazis“ bezeichnen, wir dürfen allerdings Nazis bei hinreichenden Indizien auch nicht vorschnell davon freisprechen, Nazis zu sein, nur weil sie Anzüge statt Bomberjacken tragen und angesehene Geschichtslehrer statt ALG-II-Bezieher sind.

Während Trumps Ideologie oder der Mainstream der AfD nicht unbedingt als faschistisch bezeichnet werden kann, gehören zu ihren Netzwerken deutlich radikalere Bewegungen. In der AfD ist dies der Höcke-Flügel und die Neue Rechte, in Trumps Mannschaft ist dies Stephen Bannon und die Alternative Right, die sich wie die Neue Rechte ebenfalls auf die deutsche demokratiefeindlich-elitäre „Konservative Revolution“ der Weimarer Republik bezieht. Trump und die Parteiführung der AfD sind daher treffender als faschistoid zu bezeichnen in dem Sinne, dass sie faschistische Bewegungen erheblich stärken, auch wenn sie selber keine genuin faschistische Absichten verfolgen.

Wenn ich mit Roger Griffins Definition zum Schluss gelange, dass Höckes Ideologie faschistisch sei, dann kann ich die Kritik gut annehmen, dass es falsch sei, Faschismus vorrangig an der Ideologie fest zu machen. Klaus Weber kritisiert entsprechend in seinem Artikel „schreiben, als ob alles davon abhinge… Notizen zur Faschisierungsfrage“ im Argument 318/ 2016, dass eine bloße „Abgleichung“ nicht sinnvoll sei, die Gefahren einer Faschisierung auszuloten (ebd.: 488). Er schreibt sehr richtig: „Sowohl die Formen faschistischer Politik in den 1920er und 1930er Jahren als auch deren Inhalte wären also zu studieren, um aktuelle Gefahren zu erkennen.“ (ebd.: 489). Als ich Ende 2014 anfing, Höckes Reden und Interviews auszuwerten, fingen gerade erst die Pegida-Demonstrationen an und die Erfurter Demonstrationen von Björn Höcke gab es noch nicht – ich konnte mich also zunächst nur auf die Ideologie beziehen. Dies hat sich heute geändert und es zeigt sich, dass der Ideologie nun Aktionen folgen und sich eine Bewegung formiert, deren Charakter hinsichtlich einer Faschisierung zu untersuchen wäre. Dass Höcke die AfD als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ sieht, die es mit der Parlamentsarbeit nicht übertreiben solle, unterstreicht die Wichtigkeit, sich mit den „Bewegungen“ am rechten Rand von AfD, Front National, FPÖ und Trump zu befassen. Hier wäre der Bloc Identitaere, die Identitäre Bewegung zu nennen, die sich an der faschistischen Casa Pound in Italien orientieren, und sich als dezidiert aktionsorientiert verstehen.

Bildungsselektion

1947 verfasste die alliierte Zook-Kommission ein Papier zum Bildungssystem und empfahl die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems in Deutschland. Es sollte durch ein Schulsystem ersetzt werden, in dem die Schüler*innen vom 6. bis zum 15. Lebensjahr durchgehend gemeinsam unterrichtet werden, also ohne eine Differenzierung in Volks-, Mittel- und Oberschule. Diese Maßnahme wurde nicht nur empfohlen, um die Bildungsbenachteiligung von Arbeiter*innenkindern abzuschwächen, sondern vor allem auch als antifaschistische Maßnahme zur „Reeducation“. Das sozial-selektive Schulsystem wurde als Ursache für die deutsche Untertanenmentalität (Höcke: „positive Unterordnungsfähigkeit“) ausgemacht, die einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung des Nationalsozialismus hatte.

Die soziale Selektivität ist bis heute beibehalten worden. Es muss an dieser Stelle nicht ausführlich wiederholt werden, dass es nach wie vor eine sehr starke Diskriminierung im Bildungsbereich aufgrund der sozialen Herkunft gibt. Sie beginnt vorgeburtlich (Elterngeld-Regelung), setzt sich über die KITA-Praxis bis in die Grundschule fort (IGLU-Studie: Arbeiterkinder

müssen sehr viel bessere Leistungen erbringen als Akademikerkinder, um eine Gymnasialempfehlung zu erhalten); in der Sekundarstufe (PISA-Studie; DSW-Studie) wird weiter sozial selektiert und auch in der Hochschule finden sich entsprechende institutionalisierte Benachteiligungen (DSW-Studie); selbt nach Erreichung eines Doktorgrades geht die Ungerechtigkeit entsprechend weiter (Elite-Studien von M. Hartmann). Auch außerhalb der Bildungssektors wird die Benachteiligung fortgesetzt, bspw. werden zwischen 2015 und 2014 ca. 3,1 Billionen Euro in Deutschland vererbt, allerdings nur in der reicheren Hälfte der Bevölkerung, denn die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat nichts mehr zu vererben. Zusätzlich zur permanenten Bildungsprivilegierung erhalten Akademikerkinder 3100 Milliarden Euro geschenkt. Dies wäre alles nach dem Grundgesetz verboten, denn dort heißt es explizit, dass eine Benachteiligung aufgrund der Herkunft – womit die soziale Herkunft gemeint ist – nicht geben darf.

Nicht nur das Bildungssystem trägt dazu bei, dass die soziale Herkunft entscheidend ist für beruflichen Erfolg, Einkommen, Vermögen, Gesundheit und Lebensdauer. Es gibt sehr viele klassistische Faktoren, die die Benachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft gewährleisten. Aber das Bildungssystem trägt erheblich zu dieser Benachteiligung bei. So ist die Kopplung von beruflichem Erfolg mit Bildungszertifikaten in Deutschland enger als in anderen europäischen Staaten und das ist in einer Zeit, in der Einkommensunterschiede einen vorläufigen Höchststand erreichten sehr relevant. Zudem hat sich parallel zur Bildungs- und Einkommens-/ Vermögensschere eine Schere der politische Partizipation nach sozialer Herkunft geöffnet. Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen sind nicht nur immer seltener zu Wahlen gegangen sondern haben sich auch immer seltener politisch engagiert. Und es sind vor allem Männer mit niedriger sozialer Herkunft, die hier „abgekoppelt“ werden.

Otto Rühle sprach bereits in den 1920er Jahren in seinem Aufsatz „Die Seele des proletarischen Kindes“ davon, dass die „proletarische Protestmännlichkeit“ dazu neige, „abwegig“ zu werden. Ziel müsse es sein, die „proletarische Protestmännlichkeit“ der jugendlichen Männer in eine politisch reflektierte Widerständigkeit gegen die Benachteiligungen zu überführen. Dies wäre nur durch eine politische Selbstorganisierung der proletarischen Jugendlichen ermöglichbar.

Heute sehen wir im Westen, was es heißt, wenn eine proletarische Protestmännlichkeit „abwegig“ wird. Ursache dieser Abwegigkeit ist einerseits die Bildungsselektion und die folgende Segregation, das Erlernen einer überholten fordistisch-proletarischen Männlichkeit, die Hinwendung der sozialdemokratisch/sozialistischen Parteien in Europa zur „Mitte“ und Verinnerlichung neoliberaler Ideologien, die Sockelarbeitslosigkeit, das Leiharbeitssystem bzw. die Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse und schließlich das demütigende Workfare-System von Hartz-IV. Hinzu kommt die Informationsflut der social media, die eine sinnvolle Auswahl von Informationen immer schwieriger macht. Rechtsextreme Internetmagazine wie „Breitbart-News“ haben inzwischen mehr Leser*innen als die drei größten renommierten Zeitungen der USA zusammen. Es ist für Menschen, die frühzeitig vom Bildungssystem aufgrund ihrer Herkunft ausselektiert wurden, schwer zu entscheiden, welche von den sich widersprechenden Medien die „Lügenpresse“ ist.

„Proletarisch Protestmännlichkeit“ hat die Tendenz „abwegig“ zu werden, konstatierte Otto Rühle vor einhundert Jahren. Diese „Abwegigkeit“ personalisiert sich in Stephen Bannon, langjähriger Herausgeber der Breitbart-News, dann Chefstratege in Donald Trumps Präsidentsschaftswahlkampf und nun Chefstratege im Weißen Haus. Bannon ist Arbeitersohn. Eine Ferntherapie verbietet sich, dennoch kann gemutmaßt werden, dass seine proletarische Männlichkeit „abwegig“ wurde durch seine jahrelange Tätigkeit als Soldat der US-Marine. Der Psychoanalytiker Arno Grün spricht von einer „Identifikation mit dem Aggressor“ und Männlichkeit ist ein Konzept, welches zur „Identifikation mit dem Aggressor“ tendiert, da Ohnmacht und Männlichkeit sich konzeptionell ausschließen und Identifikation mit mächtigen Personen das Gefühl erlaubt, nicht mehr ohnmächtig zu sein. Ein Hinweis auf Machiavellis berüchtigte Schrift „Il Principe“ sei hier als Paradigma einer männlichen „Identifikation mit dem Aggressor“ erlaubt. Der republikanische Beamte Machiavelli wurde nach der Eroberung von Florenz durch die antirepublikanischen Medici mehrfach gefoltert. Nach seiner Entlassung verfasste Machiavelli mit verkrüppelten Händen „Il Principe“ und widmete diese Schrift seinen Folterern. In dem im Wahnzustand verfassten Werk geht es zentral um die „Virtú“, einer Form männlicher Tüchtigkeit, die Herrschaft ermöglicht, in dem sie alles Schwache, allen voran die weibliche Schicksalsgöttin Fortuna mit den Füßen tritt. Es handelt sich um eine typisch männlich-defizitäre Aufarbeitung einer extrem traumatischen Erfahrung und es handelt sich um ein Männlichkeitskonzept, welches immer wieder zum Klassenverrat führt: siehe Stephen Bannon, ein Arbeitersohn, der einem Millionärssohn zum Präsidentschaftsposten der USA verhalf. Und ähnlich „abwegig“ ist das Wahlverhalten von Millionen von Proletariern.

Hierbei ist entscheidend: Noch droht keine unmittelbare faschistische Machtübernahme. Der Faschismus braucht nicht nur eine faschistische Ideologie, eine faschistische Miliz bzw. entsprechenden Staatsapparat und eine faschistische Partei. Er benötigt vor allem die entsprechenden Menschen mit autoritärem Charakter. Auch wenn die sozial-selektiven Elemente des Bildungssystem aus der Nazi-Zeit nach 1945 fortgeführt wurden, so wurde doch spätestens in den 1960er Jahren die Prügelstrafe abgeschafft und seit 1968 sind die sogenannten „preußischen Tugenden“, die Sekundärtugenden wie Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit, nicht mehr die primären Bildungsziele – auch nicht für Arbeiter*innenkinder. Die Bildungsinhalte sind zwar auf kapitalistische Verwertung, aber auch auf eine demokratische Struktur gerichtet, die sich explizit von der nationalsozialistischen Vergangenheit abgrenzt und die im Unterricht kritisch reflektiert werden soll. Dies verhindert bislang die umfassende Entstehung von faschistischen Persönlichkeitsstrukturen – noch. Genau dies möchte die AfD mehrheitlich ändern: sowohl die angeblich „verengte Erinnerungskultur auf den Nationalsozialismus“ soll ersetzt werden durch eine national-identitäre Bildungspolitik werden als auch die „perverse“ 68er-Pädagogik soll ersetzt werden und zwar durch preußischen Tugenden. Letzeres soll auch ermöglicht werden durch die Senkung des Strafmündigkeitsalter von Kindern auf 12 Jahre. Die AfD Sachsen hat noch weitere Abscheulichkeiten in der Schublade. In einem internen Papier wurde gefordert, Schüler*innen, die gegen ein Leitbild verstoßen, vom Unterricht in gesonderte „Benimmkurse“ zu schicken. Wenn sie dort weiter gegen das Leitbild verstoßen, wird nach einer einzigen Ermahnung Jugendarrest bis zu vier Wochen angeordnet. Solche zu Korrektionsanstalten mutierte Schulklassen erziehen Kinder zu potentiellen Faschist*innen, vor allem, wenn die Wehrpflicht bewusst als zweite Sozialisationsinstanz wieder eingesetzt wird, damit junge Männer „Vaterlandsliebe erlernen“ (Höcke) und ihnen der angebliche „Pazifismus der Deutschen“ (Gauland) ausgetrieben wird.

Es gilt also zum einen, faschistoide Tendenzen im Bildungssystem zu verhindern, zum anderen, die Empfehlung der Alliierten von 1947 ernst zu nehmen und das Bildungssystem von der sozialen Selektivität, also z.B. von der Mehrgliedrigkeit, zu befreien. Doch wer soll das machen?

Working Class Intellectuals

Zur Veranschaulichung möchte ich gerne eine kleine Geschichte voranschicken: Als Ende der 1990er Jahre die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien als Gesetzesgrundlagen erarbeitet wurden, sollten von sieben Diskriminierungformen nur drei übrig bleiben. Zunächst war vorgesehen, Diskriminierung aufgrund von sexueller Ausrichtung, soziale Herkunft, Alter und Behinderung nicht in die europäischen Nationalgesetze zu verankern. Doch nach Interventionen von Schwulen/Lesben-Gruppen und Organisationen, die sich gegen Altersdiskriminierung oder Behindertenfeindlichkeit einsetzten, blieben diese drei Diskriminierungsformen im Gesetz. Soziale Herkunft war das einzige Merkmal, welches nicht in die Antidiskriminierungsrichtlinien aufgenommen wurden, weil es keine Organisation gab, die sich gegen Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft einsetzten. Schwule und Lesben sind politisch für ihre Gruppe organisiert, alte Menschen sind politisch für alte Menschen organisiert und Menschen mit Behinderungen sind politisch für Menschen mit Behinderungen organisiert. Es gibt aber keine Organisation von Arbeiter*innenkindern, die sich dezidiert gegen die Benachteiligung von Arbeiter*innenkindern einsetzt. Diese kurze Geschichte erklärt, weshalb nach wie vor das Bildungssystem in Deutschland sozial selektiv ist: Wenn Benachteiligung abgeschafft werden soll, dann wäre es sehr hilfreich, wenn sich die benachteiligten Gruppen politisch zusammenschließen.

Dass sich Arbeiter*innenkinder nicht politisch als Interessengruppe zusammenschließen hängt auch mit dem politischen Bewusstsein und indirekt mit der Kollektivsymbolik der sogenannten „Europäischen Standardsprachen“ zusammen. Gesellschaftliche Verhältnisse werden räumlich verortet: Die Reichen und „Gebildeten“ werden in dieser Kollektivsymbolik „oben“ verortet, die Armen und „Ungebildeten“ hingegen „unten“. „Geist“ „schwebt“ „oben“, strahlt nach „unten“ aus, verliert aber an Kraft und „ganz unten“ ist dann nur noch die Dunkelheit der Unwissenheit. Wer sich bilden möchte, muss „aufsteigen“, den mühsammen Weg des „Bildungsaufstiegs“ beschreiten. Hierzu sei es wichtig,

sich von der „Unterschicht“ zu separieren, da diese nur „herunterziehe“. Die gesamte klassenbezogene Kollektivsymbolik basiert auf dieser Raummetaphorik. In dieser Bildersprache, die vorbewusst unsere Gedanken strukturiert, erscheint es nicht stimmig, dass Arbeiter*innenkinder sich zusammenschließen, denn niemand kann sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, die Kollektivsymbolik der sozialen Vertikalität legt im Gegenteil eher nahe, dass Arbeiter*innenkinder sich gegenseitig „runterziehen“. Diese Kollektivsymbolik der sozialen Vertikalität ist in der deutschen Sprache mit über einhundert Begriffen / Begriffspaaren vertreten und selbst so zentrale Begriffe wie „Wert“ sind sozial vertikalisiert, man könnte mit einem kleinen Sprachspiel auch von einer „Wertikalisierung“ der westeuropäischen Kollektivsymbolik sprechen. Und Kollektivsymbole bestehen nicht einfach nebeneinander, sondern sie sind miteinander „synchronisiert“, bilden ein kohärentes Ganzes, wie Jürgen Link in zahlreichen Wir müssen uns diese vorbewusste Strukturierung in ihrer Kohärenz bewusst machen und darüber klar werden, dass diese Kohärenz studierende Arbeiter*innenkinder inkohärent macht. Das heißt, studierende Arbeiter*innenkinder müssen sich dieser Kollektivsymbolik verweigern, sie müssen sich anders denken, mit anderen Symbolen und sie müssen eine eigene Kohärenz herstellen. Sie müssen sich „kohärent arbeiten“, um eine Formel von Antonio Gramsci aufzunehmen. Eine Drehung der Vertikalsymbolik um 90° in die Horizontale bietet sich an. So gibt es im us-amerikanischen Sprachgebrauch die Bezeichnung „straddler“ für „Bildungsaufsteiger*innen“. „Straddler“ kommt von „to straddle“ (spreizen) und meint, dass „Bildungsaufsteiger*innen“ mit einem Bein in der arbeiter*innenlichen Herkunftskultur und mit einem Bein in der akademischen Kultur stünden. Beide Kulturen stehen nebeneinander. Und die Aufgabe der „straddler“ bestünde nun darin, beide Kulturen zusammen zu bringen, statt sich immer weiter zu spreizen, beide Beine aneinander zu ziehen. Diese wäre die Kohärentarbeitung und diese lässt sich nicht allein individuell lösen, denn die verschiedenen Kulturen sind institutionell verankert. Sich kohärent zu arbeiten bedeutet also vor allem gesellschaftliche Veränderung und die Abschaffung der Gymnasien als ein Schritt des Beines der akademischen Kultur in Richtung des Beines in der Arbeiter*innenkultur erscheint schon fast unrealistisch, ist aber nur einer von vielen Schritten der Auflösung der sozialen Selektion, die Ausweitung der Arbeiter*innenbildung wird genau so schwierig.

Im Zuge dieser Arbeit wäre eine kollektive „Rückkehr nach Reims“ denkbar. Viele studierende Arbeiter*innenkinder sind ähnlich wie Didier Eribon, der Verfasser der Autobiografie „Rückkehr nach Reims“, mit der Herkunftsfamilie zerstritten oder wünschen sich, dieser zu entfliehen. Oftmals ist der Grund dieser Zerstrittenheit die als Inadäquat empfundene proletarische Männlichkeit des Familienvaters. Wenn sich studierende Arbeiter*innenkinder zusammenschließen, könnte auch dieses Problem bearbeitet werden, denn das Persönliche ist oftmals politisch. Die Frauenbewegung hat in den 1970er Jahren nicht nur begonnen, die Institutionen der Frauenunterdrückung zu bekämpfen, sondern sie haben sich in den Frauengruppen auch gegenseitig gestärkt, den Sexismus in Beziehungen mit Männern nicht mehr länger zu dulden. Kleine Gruppen von WCPCAs können Vertrauenshältnisse schaffen, die konstruktive individuelle Umgänge mit den Herkunftsfamilien ermöglichen, statt massenhaft aus „Reims“ zu fliehen. Mit dem Re-Evaluations-Counselling steht eine seit Jahrzehnten erarbeitete Form der Selbstorganisierungs-“Therapie“ zur Verfügung, die für eine solche Arbeit ideal ist. Ein Effekt der Kohärenzarbeit von WCPCAs bestünde darin, dass der Ausbreitung abwegiger Ideen – wie bei Trump, Front National, FPÖ oder AfD ein Kreuz bei den Wahlen zu machen – deutliche Grenzen gesetzt werden.

Wir benötigen also eine politischen Selbstorganisierung von Menschen mit sogenannter ^niedriger^ sozialer Herkunft, wenn wir die soziale Selektion aus dem Bildungssystem entfernen wollen. Einen E-Mail-Verteiler gibt es bereits (WCPCA_de) und es existiert bereits ein erstes autonomes Referat für studierende Arbeiter*innenkinder an der Uni Münster („Fikus-Referat“ – die politische Ausrichtung wird dort durch halbährliche Vollversammlungen von studierenden Arbeiter*innenkindern bestimmt). Bislang wurde diese beginnende Selbstorganisierung misstrauisch beäugt. Dies könnte sich nun vor dem Hintergrund der drohenden Faschisierung der Gesellschaft ändern.


Grenzt die Ausgrenzung aus. Kubitschek ausladen

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Gestern las ich zwei Mitteilungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: (1) alle Bundesländer verstoßen bei der Zulassungspraxis von Privatschulen gegen das Grundgesetz, weil Akademikerkinder privilegiert werden; (2) der neurechte Chefideologe Götz Kubitschek wird vom Theater Magdeburg zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Das Verbindende dieser beiden Meldungen ist die Antwort auf die Frage: Wer wird kulturell gepuscht und wer muss draußen bleiben?

2010: Klassenrassistische Medienkampagne für die Ausgrenzung

2010 fand eine Medienkampagne für ein „Sachbuch“ statt, die alles bisherige in den Schatten stellte. Eine Woche vor dem Erscheinen von Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“, herausgegeben von Europas mächtigstem Medienkonzern Bertelsmann, brachte die BILD vom 23. bis zum 28.9.2010 sechs mal einen ganzseitigen Vorabdruck. Auch der SPIEGEL ließ sich nicht lumpen und brachte eine Woche vorher, am 23.09., einen Vorabdruck über mehrere Seiten. Der FOCUS brachte am 23.09. einen längeren Kommentar über Thilo Sarrazin, in dem er parallel zur Medienkampagne für Sarrazin als Opfer „jagdfiebriger Medienwächter“ stilisiert wurde („Die verlorene Ehre des Thilo S.“ war der anmaßende Titel). Jedes noch so dämliche Buch wäre mit einer solchen Medienkampagne von BILD, Bertelsmann, SPIEGEL, FOCUS (ja, und auch die FAZ machte mit) zum Megabestseller geworden. Zentrale Forderung im Buch von Sarrazin war Ausgrenzung: Die Grenzen müssen dicht gemacht werden, die „Unterschicht“ dürfe nicht mehr so viel Kinder kriegen, Abschaffung des Kindergeldes und Ersetzung durch eine 50.000 Euro-Pauschale für „erbintelligente“ schwangere Studentinnen, usw. Menschenkorrekturen, Bevölkerungskorrekturen, Ausgrenzung.

Pierre Bourdieu nennt das, was 2010 von den Mainstreammedien gepuscht wurde, „Rassismus der Intelligenz“ oder auch „Klassenrassismus“. Die extreme soziale Selektivität, die unser Bildungssystem grundgesetzwidrig durchzieht und machtvoll und interessengeleitet aufrecht erhalten wird, bekam durch Sarrazin noch eine biologistische Rechtfertigung nachgeliefert. Sarrazin brachte die Nazi-Vokabel der „Bildungsunfähigkeit“ bestimmter Gesellschaftsschichten ins Spiel. Seither erfreuen sich lustige Bücher über die „Kevins“ und „Schantalls“ großer Beliebtheit – wie blöd doch die „Unterschicht“ ist… hahaha.

Wer wird ausgegrenzt, wer wird gepuscht?

Wer wird in die „Hochkultur“ inkludiert, wer wird aus der Kultur exkludiert? Exkludiert werden nach wie vor und eher zunehmend die Menschen, die freundlicherweise nicht als „Untermenschen“, sondern als „Unterschicht“, die freundlicherweise nicht als „Asoziale“, sondern als „Sozialschwache“ bezeichnet werden. Inkludiert in die „Hochkultur“ werden Personen wie Sarrazin, also zweitklassige Plagiatoren von Rassenhygienikern, die auf inhaltliche Kritik mit Schweigen oder Opferselbststilisierung antworten. Inkludiert werden Exkludierer. Inkludiert werden Personen, die Menschen- und Bevölkerungskorrekturen wollen, die am liebsten wieder Korrektionsanstalten hätten, die Korrektheit ohne politische Hinterfragung wünschen, die emanzipatorische Korrektheit hassen, weil sie die Korrektheit des Obrigkeitsstaates, die preußische Korrektheit der Untertanenmentalität herbeisehnen, wo wieder jeder weiß, wer über einen, aber zum Glück aber auch, wer unter einen sei.

Vor dem Hintergrund der sozialen Selektion, die wir in Deutschland haben, und die vor allem im kulturellen Bereich stattfindet, denn gerade hier werden Arbeiterkinder zu einem Studium sehr selten zugelassen, hatte es mich damals sehr erbost, dass ausgerechnet das Brecht-Ensemble Thilo Sarrazin eine Bühne geben wollte. Die Bühne wurde gestürmt, es wurde eklig, was hatten die Verantwortlichen erwartet? Nun also will das Theater Magdeburg Götz Kubitschek eine Bühne geben. Natascha Strobl, die mehrere Bücher zu der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung mitverfasste, schrieb bei Facebook den Kommentar: „Oh Mann, wieder so abgehobene Kunstmenschen, die meinen sie könnten ganz edgy mit Rechtsextremen diskutieren, weil sie ganz anders sind als alle anderen.“ Damit trifft sie genau den Punkt. Götz Kubitschek könnte man einladen, um ihm genau eine Frage zu stellen: Wer ist der Neonazi „Landolf Ladig“, handelt es sich um Björn Höcke, dem Kubitschek seinen letzten Artikel widmete? Diese Bühne dürfte man Kubitschek geben, mehr nicht. Das wäre genau genommen keine Podiumsdiskussion, sondern eine Vorladung. Das wäre in Ordnung. Aber das ist wohl kaum geplant.

Der Kampf gegen „entartete Kultur“

Kubitschek und seine Leute sind nicht an egalitären Diskussionen interessiert. Er selber störte mit seiner „Konservativ-subersiven Aktion“ 2008/2009 sechs Veranstaltungen, unter anderem eine Lesung von Günther Grass. Er gilt der sogenannten „Identitären Bewegung“ als Vorbild. Martin Sellner, Obmann der „Identitären Bewegung“ (IB) in Österreich, war Anfang des Jahres mehrere Wochen in Kubitschek „Rittergut Schnellroda“ und machte dort eine Art Praktikum. Die IB störte im September diesen Jahres eine Veranstaltung mit Margot Käßmann im Maxim Gorki Theater. In Österreich stürmten ca 30 Mitglieder der IB eine Theateraufführung von Elfriede Jelinek „Die Schutzbefohlenen“. Sie gingen mit Gewalt vor, es gab acht Anzeigen wegen Körperverletzung. Die IB entrollte ein Transparent mit der Aufschrift „Unser Widerstand gegen eure Dekadenz“. „Entartete Kultur“ hätten die Nazis gesagt und das Wort „Entartung“ gehört selbstverständlich zum Repertoire dieser Leute und sie meinen damit durchaus „rassische“ „Entartung“.

Zum Sortiment von Kubitscheks Antaois-Verlag gehört Philippe Rushtons „Rasse, Evolution und Verhalten“. Auf dieses Buch bezog sich Björn Höcke während seiner Rede in Kubitscheks „Institut für Staatspolitik“, als Höcke rassenbiologisch vom „europäischen Platzhaltertypen“ und „afrikanischen Ausbreitungstypen“ sprach. Höckes Problem: Der „europäische Platzhalteryp“ sei heute „dekadent“, seit 1945 „neurotisiert“ und seit 1968 „pervertiert“. Die AfD sei die „letzte evolutionäre Chance“, es ginge um „Sein oder Nicht-Sein der Völker“, es ginge beim „Weg zum totalen Triumph“ vor allem um „Begriffsherrschaft“ und das heißt bei Höcke anscheinend, um die Wiederherstellung von NS-Rhetorik. Rushton war zudem der Chef vom rassenbiologischen Pioneer Fund, welches mit dem rassenbiologischen Magazin „Mankind Quarterly“ zusammenhängt, aus dem wiederum Thilo Sarrazin indirekt seine „Erkenntnisse“ über „Erbintelligenz“ bezog.

Ausgrenzung ausgrenzen

Vor dem Hintergrund der transatlantischen Faschisierungsprozesse wäre es wichtig, die soziale Selektion, die kulturelle Ausgrenzung schnellst möglich zu beenden. Kulturelle Einrichtungen sollten gegen Klassismus und Klassenrassismus vorgehen, sie sollten sich selber hinterfragen, sie sollten dazu beitragen, dass Menschen mit sogenannter „niedriger“ sozialer Herkunft sich autonom politisch organisieren und sie sollten Eltern aus dem akademischen Milieu einen Spiegel vorhalten, der die Folgen ihres Klassismus im Bildungsbereich zeigt. Die Alliierten forderten 1948 nach der Befreiung vom Nationalsozialismus im Zuge der Entnazifizierung ein einheitliches Bildungssystem in Deutschland, in dem Kinder vom 6. bis zum 15. Lebensjahr gemeinsam in eine Klasse gehen, ohne Selektion (Direktive 54). Dies sei wichtig, um die Untertanenmentalität der Deutschen zu beenden. Vor allem die bessergestellten Eltern wollten davon nichts wissen und bis heute verhindern sie aktiv die Beendigung der Bildungsbenachteiligung von Arbeiterkindern. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Aufgabe von Kulturträgern wäre es, diesen Eltern die Leviten zu lesen, diese ausgrenzende Einstellung zu problematisieren und zu beenden. Unsere Gesellschaft hat seit Jahrzehnten einen Teil der Gesellschaft abgespalten und für überflüssig und mangelhaft erklärt. Sie hat zudem mit großem Aufwand der Mainstream-Medien die menschenverachtende Positionen von Sarrazin und Co. normalisiert. Dies rächt sich nun durch ein abwegiges Wahlverhalten eines großen Teils der männlichen sogenannten „Unterschicht“, die erfahrenen Klassenrassismus in aktiven Rassismus umwandelt. Und es droht, dass die proletarische Protestmännlichkeit komplizenhaft an Höcke und Kubitschek andockt. Statt also in Selbstüberschätzung den Sarrazins, Höckes und Kubitscheks weiter Podien zu bieten, sollte der Trump-Schock als zweite Warnung nach dem PISA-Schock verstanden werden: Grenzt die „untere“ Klasse nicht weiter von Bildung und Kultur aus, grenzt die Ausgrenzung aus, ladet Kubitschek aus.


Warum nicht Hofsommer der Neonazi „Ladig“ ist

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Seit ich vor zwei Jahren zum ersten Mal auf die Gemeinsamkeiten in Texten des AfD-Vorsitzenden in Thüringen, Björn Höcke, und den Texten des 2011/2012 unter Pseudonym schreibenden Neonazi „Landolf Ladig“ stieß, ist die Indizienkette dafür, dass Höcke und „Ladig“ identisch sind, stetig dichter geworden.

Dass es sehr enge Verbindungen zwischen Höcke und „Ladig“ gibt, wird inzwischen nicht mehr bezweifelt, einige ziehen aber in Erwägung, dass Höckes älterer Freund Heiner Hofsommer „Ladig“ sei. Heiner Hofsommer ist ebenfalls AfD-Mitglied und war Lehrer. Nachdem 2002 Eltern gegen rassistische Sprüche in seinem Unterricht protestierten und Hofsommer eine Anzeige wegen Volksverhetzung erhielt, trat er aus dem Schuldienst als Lehrer zurück. Wenig später, wahrscheinlich im Zuge der Hohmann-Affäre (Hohmanns Bezeichnung „Juden als Tätervolk“ führten zum Ausschluss aus der CDU), ca im Jahr 2004, begann die Bekanntschaft bzw. Freundschaft von Hofsommer mit Björn Höcke, der ebenfalls als Lehrer in Hessen tätig war. 2009 gibt Hofsommer ein Buch über die deutsche Geschichte heraus, auf der Rückseite findet sich eine wohlwollende Beschreibung von einem „Björn Hocke“ – es handelt sich wohl kaum um einen Rechtsschreibfehler, sondern eher um eine leichte aber effektive Verschleierung. Gibt man „Björn Höcke“ in der Google-Suche ein, findet man diese Buchbeschreibung nicht. Höcke hatte 2007 gegenüber Dieter Stein geäußert, aufgrund seines Berufes als Geschichtslehrer nur unter Pseudonym schreiben zu wollen.

Die Junge Alternative Hessen, der Jugendverband der AfD Hessen, hatte Ende 2016 Heiner Hofsommer und Björn Höcke zu einer gemeinsamen Veranstaltung nach Büdingen eingeladen. In Büdingen trat die AfD bei der Kommunalwahl Anfang des Jahres nicht an, die NPD holte stattdessen 14 Prozent der Stimmen. Gerade in solchen Kommunen wie in Büdingen geht die AfD gerne auf Stimmenfang. Und in solchen Milieus kann man seine rechten Positionen weitgehend ungeschminkt äußern. Die Äußerungen von Heiner Hofsommer zeigen, dass entweder Hofsommer oder Höcke hinter den Nazi-Artikeln unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ verbergen müssen. Ich verweise auf die Indizienkette in zahlreichen Blogbeiträgen auf dieser Seite, die nahelegt, dass Höcke „Ladig“ ist. In der Büdinger Rede von Hofsommer kommen neue Indizien hinzu.

Der erste Artikel von „Landolf Ladig“ aus dem Jahr 2011 in dem national-völkischen Magazin „Volk in Bewegung“ beginnt mit der Benennung von zwei britischen Autoren, die ihre Wertschätzung für Deutschland zum Ausdruck bringen: Niall Ferguson und Peter Watson. Genau diese beiden Autoren führt auch Heiner Hofsommer als großartige Wissenschaftler in seiner Rede an. Er lässt sich umständlich von einem Parteimitglied das Buch von Peter Watson „Der deutsche Genius“ reichen und schwenkt die zerfledderte Ausgabe herum. Peter Watson wurde bislang von Björn Höcke in verschiedenen Reden und Interviews angeführt. Und genau wie im Artikel von „Landolf Ladig“ spricht Höcke vom „Opus Magnum“ und benennt den Titel falsch „Genius der Deutschen“ statt „Der deutsche Genius“. Dies passiert Hofsommer nicht. Er hat wahrscheinlich wirklich Ferguson und Watson gelesen und jemand der ein tausendseitiges Buch so durcharbeitet, dass es zerfleddert aussieht, der sollte den Titel kennen und diesen nicht ständig in der falschen Weisen benennen. Niall Ferguson war bislang die einzige Textstelle in den drei Artikeln von „Landolf Ladig“ aus den Jahren 2011 und 2012, die keinen direkten Bezug zu Björn Höckes Verlautbarungen hatte. Auch dieser Bezug ist nun nachweisbar.

ferguson

„Landolf Ladig“ bezieht sich (wie Heiner Hofsommer) in seinem NS-verherrlichenden Text auf Ferguson und Watson; Höcke bezieht sich auch auf Watson und benutzt wie „Ladig“ den falschen Titel „Genius der Deutschen“ statt den richtigen „Der deutsche Genius“

Hinzu kommt, dass Hofsommer in seinem Vortrag in Büdingen die Redewendung „Sitten-, Werte- und Normengefüge“ benutzt und davon spricht, dass Deutschland aufgelöst werde, wie „Schmierseife unter einem warmen Wasserstrahl“. Beide Redewendungen finden sich in der NPD-„Eichsfeldstimme“ Nr. 9 im Editorial von Thorsten Heise, dem bekannten Neonazi und dem Bekannten von Höcke. In der „Eichsfeldstimme“ Nr. 8 findet sich einer der drei „Ladig“-Texte. Auch hier ist es bei Hofsommer stimmig, er spricht von „Schmierseife“. Bei Heise – wenn Heise denn tatsächlich das Editorial geschrieben hat und nicht ein Ghostwriter – heißt es „Stück Schmierseife“, Schmierseife ist aber in der Regel nicht in „Stücken“ zu bekommen, und bei Höcke heißt es dann später „Stück Seife“. Und Höcke benutzt auch die Redewendung „Sitten-, Werte- und Normengefüge“, aber wie in der Eichsfeldstimme in der Reihenfolge „Werte-, Sitten- und Normengefüge“ und nicht wie Hofsommer in der Reihenfolge „Sitten-, Werte- und Normengefüge“(siehe auch hier).

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„Ladigs“ Texte erschienen in Magazinen des Neonazis Thorsten Heise, u.a. in der „Eichsfeldstimme 8“; in der „Eichsfeldstimme 9“ spricht Heise wie Höcke vom „Werte-, Sitten- und Normengefüge“ statt wie Hofsommer vom „Sitten-, Werte- und Normengefüge“ und wie Höcke vom „Stück [Schmier]seife“ statt wie Hofsommer von „Schmierseife“.

Fazit aus der Büdinger Rede Hofsommers: Hofsommer liefert mit seinem Verweis auf Niall Ferguson ein weiteres Indiz dafür, dass faktisch nur er und Höcke als Autoren hinter dem Pseudonym „Ladig“ in Frage kommen. Es ist ein weiteres Puzzlestück des bereits längst erkennbaren Bildes. Die Annahme, dass eine dritte Person in Frage kommt, kann faktisch ausgeschlossen werden. Dass Hofsommer „Ladig“ ist, ist nach seiner Rede eher zu verneinen. Er spricht von „Der deutsche Genius“ statt wie „Ladig“ und Höcke von „Genius der Deutschen“, er benutzt die Redewendung „Sitten-, Werte- und Normengefüge“ statt wie Höcke und Heise „Werte-, Sitten- und Normengefüge“, er spricht von „Schmierseife“, statt von einem „Stück Schmierseife“ (Heise) oder „Stück Seife“ (Höcke).

Vergleicht man dann noch die Reden Hofsommers und Höckes, dann wird deutlich, dass Höcke sehr viel faschistoider auftritt als Hofsommer. Immerhin finden sich bei Hofsommer positive Bezüge zu Jüdinnen. Bei Höcke gab es diesen positiven Bezug bislang nicht. Stattdessen macht die auf Hofsommers folgende Rede von Höcke wieder einige Anleihen beim Nationalsozialismus: „Das System Merkel, das sind die Schmeißfliegen, die sich um Merkel herum bewegen.“ „Ich will euch [die AfD-Jugend] als Vater und Mutter“. „Ich weise euch den Weg des totalen Triumpfes. […] Es sind nur die willensstarken Menschen, die Geschichte schreiben.“ „Statt von ‚Pflicht und Freude‘ redet man von ‚Selbstverwirklichung und Spaß'“ „Ich will diesen ganzen Müll nicht mehr hören! Ich will einfach nur noch Natürlichkeit!“ „Seit fünfzig Jahren ist das Unterste nach Oben gekehrt worden. Dieser rot-grün-schwarz-bunte Zeitgeist…riecht nach Fäulnis und Verwesung“. „Wir wollen nichts anderes als eine Rückkehr zum Natürlichen. Was wir brauchen ist das restlose Abräumen des Alten und Morschen.“ „Wir brauchen einen klaren Frontverlauf: Da draußen sind die Kräfte der Auflösung, hier drinnen sind die Kräfte des Bewahrens.“ Allein diese Rede ist derart faschistoid, dass sich die „Ladig“-Texte hier nahtlos einreihen.

Zur Sprache der Nazis findet sich hier ein Text von 1965: Alexander Bein: „Der jüdische Parasit“ Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage. Zur NS-Rhetorik Höckes hatte ich bereits im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung einen Artikel verfasst, die um die Büdinger Rede ergänzt werden müsste.

totaler-triumpf

Höcke auf dem Weg zum totalen Triumph des Willens?

Beispiele für die Nähe von Höckes Büdinger Rede an die AfD-Jugend mit dem NS-Vokabular:

  • „Schmeißfliege“: typisches NS-Vokabular für politische Gegner*innen, die als „Ungeziefer“ geschmäht werden.
  • „totaler Triumph“/ „willensstarke Menschen“: Ernst Forsthoff 1933: „Der totale Staat“ / Leni Riefenstahl 1934: „Triumph des Willens“
  • „Pflicht und Freude“: Ein im rechtsextremen Verlag erschienenes Buch heißt „In Pflicht und Freude – Das Erlebnis Hitler-Jugend
  • „Fäulnis und Verwesung“: „Der Jude ist kein Mensch, er ist eine Fäulniserscheinung.“ (Oberster Richter der NSDAP)
  • „restlose Abräumen des Alten und Morschen“: „Für den Nationalsozialisten ist Revolution etwas Großes und Gewaltiges: es bedeutet das Einreißen des Morschen und Alten und das Durchbrechen neuer, starker junger Kräfte.“ (Göring: „Aufbau einer Nation“)
  • „Da draußen die Kräfte der Auflösung“:„Das gleiche fürchterliche Bild des Chaos bei allen übrigen Erscheinungsformen des öffentlichen Lebens, ob Kunst, Literatur, Theater, Kino, Radio, Kirche, Schule, überall das ‚Ferment der Dekomposition‘, der großen Zersetzer und Zerstörer, der Jude und Freimaurer […]“ (Gottfried Feder: Das Programm der N.S.D.A.P)

Höcke und „Ladig“ unterscheiden sich nur im offenen direkten positiven Bezug auf den Nationalsozialismus – und dieser würde zum Rauswurf Höckes aus der AfD führen.


AfD: Zwischen Front National und Höcke

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In der AfD begannen nach dem Rausschmiss des Flügels um Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel sehr schnell neue Auseinandersetzungen zwischen zwei neuen Flügeln. Auf der einen Seite steht nun der machtzentrierte Flügel um Frauke Petry und Marcus Pretzell, auf der anderen Seite der faschistoide Flügel um Björn Höcke. Petry und Pretzell gelten als „gemäßigt“ – das sind sie aber nur in der Relation zu Höcke.

Tatsächlich hat sich Pretzell der ENF-Fraktion (Fraktion der Nationen und der Freiheit) im Europäischen Parlament angeschlossen. Die ENF hat 39 Mitglieder, 20 gehören zum Front National, die restlichen 19 zu anderen extrem rechten Parteien in Europa (FPÖ, Partij voor de Vrijheid, Lega Nord, Vlaamse Belang. AfD …). ENF wird also absolut dominiert vom Front National. Sven Tritschler, zusammen mit Markus Frohnmaier Vorsitzender der Jungen Alternative, ist seit ein paar Monaten angestellt im ENF. Tritschler hatte zuvor für Pretzell im Europäischen Parlament gearbeitet, nun arbeitet er direkt in der ENF. Pretzell und Petry arbeiten seit über einem Jahr zudem sehr eng mit der FPÖ zusammen („Blaue Allianz“).

Auch in der Wortwahl sind die beiden ENF-Mitglieder/Mitarbeiter Pretzell und Tritschler nicht zimperlich. Zum Anschlag in Berlin posteten sie folgendes:

pretzell-tritschler

Pretzell und Tritschler auf Twitter zum Anschlag in Berlin

Das also ist der „gemäßigte“ Flügel in der AfD: menschenverachtend-zynisch auf Macht orientiert – und rechts davon streitet Höcke mit seiner typischen NS-Rhetorik um den zukünftigen Kurs der AfD. Die AfD ist mittlerweile deutlich rechts vom Front National einzuordnen.


Höcke, NPD-Verbot und „Dresdner Schule“

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Am 17. Januar 2017 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die NPD verfassungswidrig ist. Sollte dem so sein, wird die NPD verboten und aufgelöst. Aber was nutzt ein NPD-Verbot, wenn ein Flügel der AfD die Ideologie der NPD fortführt?

„Neurotisierung Deutschlands“, „One-World-Ideologie“, „Dritter Weg“, „Sein oder Nichtsein der Völker“ … das sind jeweils ungewöhnliche politische Formulierungen, die Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD Thüringen, benutzt. Er hat sich diese Begriffe nicht selber ausgedacht, sondern aus einem anderen Kontext übernommen. Diese vier einschlägigen Vokabeln finden sich im Text „Wesen und Wollen der ‚Dresdner Schule'“. Die „Dresdner Schule“ ist ein pseudointellektuelles Projekt der NPD Sachsen. Es richtet sich explizit gegen die Kritische Theorie, gegen die Frankfurter Schule.

Der Verfasser des Textes „Wesen und Wollen der ‚Dresdner Schule'“ ist Jürgen Gansel. Gansel war von 2004 bis 2014 Abgeordneter der NPD in Sachsen.
Jürgen Gansel studierte wie Björn Höcke bis 1999 in Gießen und Marburg Geschichte. Zwischen 1995 und 1997 war er Vorsitzender der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO). Höckes Großeltern und Eltern waren Mitglieder der Landsmannschaft Ostpreußen.

Liest man den NPD-Text „Wesen und Wollen der ‚Dresdner Schule'“, so finden sich dort keine Differenzen zu den Positionen, die Björn Höcke in seinen Reden, Interviews und Pressemitteilungen von sich gibt. (Ich verlinke den Text nicht, aber er lässt sich leicht über die Google-Suche finden; stattdessen hier ein Link auf einen Text zur „Dresdener Schule“).

Versucht Höcke das NPD-Konzept der „Dresdner Schule“ mit Hilfe der AfD umzusetzen? Ist die „Erfurter Resolution“ die Fortsetzung der „Dresdner Schule“? Die NPD nennt sich „die Heimatpartei“, Höcke nennt die AfD „die neue Heimatpartei“.


Das braune Netzwerk – Ergänzung

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Im WDR lief am 11.01.2017 der Dokumentarfilm „Das braune Netzwerk“ von Caterina Woj und Andrea Röpke über die Verbindungen von Nazis mit der AfD. Am Ende des Films wurde auf die Verbindung zwischen dem Neonazi Thorsten Heise und dem AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke eingegangen. In der Kürze der Zeit, die meinen Recherche-Ergebnissen gewidmet wurde, konnte nur auf drei Indizien eingegangen werden, die nahelegen, dass Björn Höcke 2011 und 2012 unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ neonazistische Texte in den Magazinen Thorsten Heises schrieb. Genannt wurde hier die Wortwahl „organische Marktwirtschaft“, „aufpotenzierende Krisendynamik“ und „Entelchie“, die sich sowohl in den Texten von „Ladig“ und denen von Höcke finden. Bei „organische Marktwirtschaft“ und „aufpotenzierende Krisendynamik“ handelt es sich nicht einfach nur um „ungewöhnliche“ Begriffe, sondern eine Internetrecherche ergab, dass ausschließlich „Ladig“ und Höcke diese Wortwahl benutzt. Das heißt. gibt man die Wortwahl „organische Marktwirtschaft“ in einer Internet-Suchmaschine ein, so wird nur ein einziger Treffer gefunden, nämlich ein Text von Höcke. Das selbe gilt für die Wortwahl „aufpotenzierende Krisendynamik“. Auch hier findet die Suchmaschine ebenfalls nur einen einzigen Treffer, nämlich einen Text von Höcke. Hinzu kommen dann noch weitere sehr ungewöhnliche Begriffe („Entelechie“, „Perturbation“, „Entropie“, „Homöostase“, „Vernutzung“). Diese Überschneidungen lassen nur die beiden Alternativen zu, dass Höcke von „Ladig“ abgeschrieben hat oder dass Höcke „Ladig“ ist. Sollte „Ladig“ von Höcke abgeschrieben haben, wäre dies schon schlimm genug. Denn das würde heißen, dass Höcke eine neonazistische Ideologie weiterverbreitet.

Im Fernsehbeitrag kamen viele weitere Indizien nicht zur Sprache. So basiert der erste Text von „Ladig“ auf einen drei Jahre zuvor von Höcke geschriebenen Leserbrief. Dieser Leserbrief wurde quasi plagiiert und Textstellen des Leserbriefs tauchen an verschiedensten Stellen im Text von „Ladig“ auf. Gehen wir von der harmloseren Alternative aus, dass Höcke nicht „Ladig“ ist, so müssen wir konstatieren, dass seit 2011 „Ladig“ von Höcke abschreibt und Höcke von „Ladig“ abschreibt. Es handelt sich also um eine gemeinsame Theorieproduktion. Höcke und „Ladig“ haben aber – falls wir davon ausgehen, dass es zwei verschiedene Personen sind – nicht nur von einander abgeschrieben, sondern sie scheinen sich getroffen zu haben. Ein „Ladig“-Text von 2012 beschreibt das Wohnhaus von Björn Höcke. Und „Landolf Ladig“ scheint auch die Kinder von Björn Höcke zu kennen und von ihnen angetan zu sein, zumindest vom ältesten Sohn, denn der heißt so ähnlich wie „Landolf“ und sein Vorname ist sogar noch etwas ungewöhnlicher. Blieben also nur die Alternativen, dass Höcke entweder seit Jahren intim mit einem unbekannten Neonazi „Ladig“ zusammenarbeitet oder dass Höcke mit „Ladig“ identisch ist. Beide Varianten müsste eigentlich zum Rauswurf Höckes aus der AfD führen.

Nehmen wir weitere Indizien hinzu:

„Ladig“ bewirbt in seinem ersten Text das Buch „Der deutsche Genius“ von Peter Watson. Aber er preist es mit den Worten, dieses „Opus Magnum“ „Genius der Deutschen“, ein tausendseitiges Werk, müsste unbedingt gelesen werden. Höcke pries wenige Jahre später ebenfalls das Buch und sprach ebenfalls vom „Opus Magnum“ und benannte es ebenfalls mit dem falschen Titel „Genius der Deutschen“ statt „Der deutsche Genius“. Wenn man von einem tausendseitigen Buch so begeistert ist, dass man es öffentlich weiterempfiehlt, dann muss man es selber gelesen haben. Es kann sein, dass man den Titel leicht falsch wiedergibt. Es kann aber nicht sein, dass sich zwei Menschen in der selben Weise irren.

Gegenüber Dieter Stein hatte Höcke bereits 2007 gesagt, dass er zukünftig unter Pseudonym schreiben wird, weil er Lehrer sei. Unter welches Pseudonym hat Höcke geschrieben? Es finden sich keine Texte in der Vergangenheit, die den Duktus Höckes haben – außer den „Ladig“-Texten. Und es ist ebenso erstaunlich, dass Ladig ausgerechnet mit dem Entstehen der AfD und dem Aufstieg von Höcke nicht mehr publiziert. Keine Texte, die nach 2012 entstanden sind, haben Ähnlichkeit mit den „Ladig“-Texten – sieht man von den Höcke-Verlautbarungen ab.

Es ist daher extrem unwahrscheinlich, dass es sich bei Höcke und „Ladig“ um zwei verschiedene Personen handelt. Alles spricht dafür, dass Höcke als Geschichtslehrer 2011/ 2012 unter Pseudonym neonazistische Texte für seinen Nachbarn und Bekannten, den Neonazi Thorsten Heise, verfasst hat.



Sind AfD-Landesverbände verfassungswidrig?

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Die Begründung der Verfassungswidrigkeit der NPD durch das BVerfG:
 
„a) Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet.
 
aa) Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. Er negiert den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländern, Migranten, religiösen und sonstigen Minderheiten) gerichtet.
 
bb) Darüber hinaus missachtet die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip. In einem durch die „Einheit von Volk und Staat“ geprägten Nationalstaat im Sinne der NPD ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Dieses Konzept widerspricht dem im menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips wurzelnden Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsangehörigen an der politischen Willensbildung. Außerdem tritt die NPD für die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der „Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat ein.
 
cc) Die NPD weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Das Konzept der „Volksgemeinschaft“, die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der NPD mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. Die Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus bestätigt deren Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“
 
Das Volksgemeinschaftskonzept und der punktuelle Rückgriff auf Vokabular der NSDAP finden sich dezidiert auch bei den Landesfraktionschefs Höcke und Poggenburg.

Höcke: „dämliche Erinnerungskultur“

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Ausschnitt aus Höckes Rede in Dresden zur Vergangenheitsbewältigung. Er hielt sie am 17.01.2017. Wenige Stunden zuvor hatte das BVerfG entschieden, die NPD nicht zu verbieten. In Dresden trafen sich unter anderem Björn Höcke und Götz Kubitschek. Das Compact-Magazin von Jürgen Elsässer sorgte für den Livestream, Pegida für den Saalschutz.
Die Rede wurde unterbrochen von „Volksverräter“-Rufen (vor allem gegen den letzte Woche verstorbenen ehem. Bundespräsideten Roman Herzog und gegen Weizsäcker), von „Höcke“-Skandierungen und „Wir sind das Volk“-Rufen. Immer wieder gab es Standing Ovations, angeheizt von ein paar Männern, die vor der Bühne standen. Viele krasse Sachen in Höckes Rede hatte er vorher schon wiederholt von sich gegeben. Die folgende Passage ist relativ neu, sie findet sich zum Ende seiner Rede:
„Die Bombardierung Dresdens und der anschließende Feuersturm vernichtete die Elbflorenz und die darin lebenden Menschen. Die Bombardierung Dresdens war ein Kriegsverbrechen. Sie ist vergleichbar mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Mit der Bombardierung Dresdens und der anderen deutschen Städte wollte man nichts anderes, als uns unsere kollektive Identität rauben. Man wollte uns mit Stumpf und Stil vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das dann auch fast geschafft. Deutsche Opfer gab es nicht mehr, sondern es gab nur noch deutsche Täter. Bis heute sind wir nicht in der Lage, unsere eigenen Opfer zu betrauern. Und augenfällig wurde das wieder mit dem würdelosen Umgang mit den Opfern des Berliner Terroranschlags.
Der von Markus Mohr schon zurecht bemerkte Wiederaufbau der Frauenkirche war für uns Patrioten ein Hoffnungsschimmer dafür, dass es ihn doch noch gibt, diesen kleinen Funken deutschen Selbstbehauptungswillen. Aber, liebe Freunde, bis jetzt sind es nur Fassaden, die wieder entstanden sind. Jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes. Wir Deutschen, und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten, die sich hier und heute versammelt haben, wir Deutschen als unser Volk sind das einzige Volk der Welt, dass sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. Wenn man sich statt die nachwachsende Generation, mit den großen Wohltätern, mit den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern, in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, Markus Mohr hat darauf hingewiesen und sie namentlich stellenweise erwähnt und es war doch nur eine kleine Gruppe, die er mangels Zeit aufzählen konnte, vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt, liebe Freunde, und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte mies und lächerlich gemacht. So kann es und so darf es nicht weiter gehen.
So kann es, so darf es und so wird es nicht weiter gehen, liebe Freunde. Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstauflösung. Die gibt es nicht. Im Gegenteil, es gibt die moralische Pflicht, dieses Land, diese Kultur, seinen noch vorhandenen Wohlstand und seine noch vorhandene staatliche Wohlordnung an die kommende Generation weiter zu geben, das ist unsere moralische Pflicht. Wenn wir eine Zukunft haben wollen und wir wollen eine Zukunft haben und immer mehr Deutsche erkennen, dass auch sie eine Zukunft haben wollen, dann brauchen wir eine Vision. Eine Vision wird aber nur dann entstehen, wenn wir uns wieder selber finden, wenn wir uns wieder selbst entdecken. Wir müssen wieder wir selbst werden.Selber haben werden wir uns nur, wenn wir wieder eine positive Beziehung zu unserer Geschichte aufbauen. Und schon Franz-Josef Strauß bemerkte, die Vergangenheitsbewältigung als gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe, die lähmt ein Volk. Liebe Freunde, Recht hat er, der Franz-Josef Strauß! Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als den Franz-Josef Strauß zeitens. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Wir brauchen so dringend wie niemals zuvor diese erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Liebe Freunde, wir brauchen keine toten Riten mehr in diesem Land, wir haben keine Zeit mehr, tote Riten zu exekutieren, wir brauchen keine hohlen Phrasen mehr in diesem Land, wir brauchen eine lebendige Erinnerungskultur, die uns vor allen Dingen und zu aller erst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt.“

Muss die AfD Thüringen verboten werden?

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Das Volksgemeinschaftskonzept ist verfassungsfeindlich

Das Bundesverfassungsgericht sah am 17.01.2017 die Verfassungsfeindlichkeit der NPD als gegeben an. Sie verbot die NPD nur aufgrund ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit nicht. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD ergebe sich vor allem aus dem „Volksgemeinschafts“-Konzept der NPD. Hier die entsprechenden Passagen:

„a) Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet.

aa) Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. Er negiert den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ in ihrem Sinne angehören. Das Politikkonzept der NPD ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen (Ausländern, Migranten, religiösen und sonstigen Minderheiten) gerichtet.

bb) Darüber hinaus missachtet die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip. In einem durch die „Einheit von Volk und Staat“ geprägten Nationalstaat im Sinne der NPD ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Raum. Dieses Konzept widerspricht dem im menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips wurzelnden Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsangehörigen an der politischen Willensbildung. Außerdem tritt die NPD für die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der „Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat ein.

cc) Die NPD weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Das Konzept der „Volksgemeinschaft“, die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der NPD mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren. Die Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus bestätigt deren Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

Höcke vertritt das Konzept der Volksgemeinschaft

Höcke vertritt das Volksgemeinschaftskonzept. Sein Kollege André Poggenburg bezieht explizit positiv auf die „Volksgemeinschaft“. Das hat Björn Höcke bislang vermieden. Die folgenden Zitate machen deutlich, dass er implizit dieses Konzept vertritt. Die Zitate sind in meiner Expertise zu Björn Höcke belegt.

Germanische Wurzeln“, „zeitloses Preußen“, „tausendjährige Zukunft“

Höcke ist es wichtig, auf die „germanischen Wurzeln“ zu verweisen. Er verweist auf „Preußen“ als eine Entität, die „zeitlos“ sei. Und in Anlehnung an das „tausendjährige Reich“ des nationalsozialistischen Deutschland, erhofft sich auch Höcke eine „tausendjährige Zukunft“ für Deutschland. Das heißt, hier wird ein Volk von den „germanischen Wurzeln“ bis in mindestens tausend Jahren, wenn nicht sogar zeitlos, zu einer Entität, zu etwas Wesenhaften qualifiziert und glorifiziert:

„Wenn sich Pegida ›für die Erhaltung und den Schutz unseres christlich-jüdisch geprägten Abendlandes‹ einsetzt, dann freut mich das einerseits, andererseits bemerke ich das Fehlen der antiken und germanischen Wurzeln desselben. Ich denke, es muß noch einmal nachgearbeitet werden“

„Wobei ich mit ›preußisch‹ nicht eine historisierende Kategorie meine, sondern das überzeitliche Preußen.“

„Noch gibt es Magdeburg, und noch gibt es Deutschland! Ich will, dass Magdeburg und Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben!“

Organisch gewachsenes Volk“, „Volk“ als ökologischer Begriff

Völker sind für Höcke biologische Tatsachen. Insbesondere das „deutsche Volk“ sei „organisch gewachsen“. Implizit greift Höcke auf den biologischen Rassenbegriff zurück, aber er verwendet den Begriff der „Rasse“ nicht. Sehr deutlich wird dies an der Übernahme des „Reproduktonsstrategien“-Modells von J. Phillippe Rushton „Rasse, Evolution und Verhalten: Eine Theorie der Entwicklungsgeschichte„, vertrieben vom Antaios-Verlag des Institut für Staatspolitik, wo Höcke seine berüchtigte Rede gehalten hat. Während der Ethnopluralismus als moderne rassistische Ideologie den Rassismus kulturalisiert, also ethnische Unterschiede als Kulturunterschiede verewigen möchte, findet sich bei Höcke ein deutlicher Rückgriff auf die sogenannte „Populationsökologie“, die Völker als biologische und ökologische Phänomene begreift. Daher spricht er immer wieder von der AfD als „letzte evolutionäre Chance“.

„Daher muß der Verteidigung der ethnokulturellen Diversität höchste Priorität eingeräumt werden. Sie scheint mir – nebenbei bemerkt – auch die Grundlage echter ökologischer Politik zu sein.“

„Die Länder Afrikas, sie brauchen die deutsche Grenze, die Länder Afrikas, sie brauchen die europäische Grenze, um zu einer ökologisch nachhaltigen Politik zu finden. Und die Länder Europas brauchen sie gegenüber Afrika und den arabischen Raum umso dringender, weil Europa phylogenetisch vollständig nachvollziehbar eine eigene Reproduktionsstrategie verfolgt. In Afrika herrscht nämlich die sogenannte Klein-r-Strategie vor, die auf eine möglichst hohe Wachstumsrate abzielt. Dort dominiert der sogenannte Ausbreitungstyp und in Europa verfolgt man überwiegend die Groß-K-Strategie, die die Kapazität des Lebensraums optimal ausnutzen möchte, hier lebt der Platzhaltertyp. Die Evolution hat Afrika und Europa vereinfacht gesagt zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. Sehr gut nachvollziehbar für jeden Biologen. Das Auseinanderfallen der afrikanischen und europäischen Geburtenraten wird gegenwärtig natürlich noch durch den dekadenten Zeitgeist verstärkt, der Europa fest im Grff hat. Kurz: im 21. Jahrhundert trfft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.“

„Entwurzelung und Identitätsverlust bedingen in letzter Konsequenz dann eine Menschheit, für die die Möglichkeit einer sozialen, ökologischen und ökonomischen Homöostase in dieser Welt in weite Ferne gerückt ist. Für die Herausbildung von autonomen Persönlichkeiten, und nur diese können freie Gesellschaftsformen leben, sind Bindungen notwendig – insbesondere Bindungen an die eigene Kultur und Heimat“

„Ich selbst betone immer wieder, daß ich die Frage nach der Identität für die zentrale Frage der Menschheit im 21. Jahrhundert halte, denn sie ist der Schlüssel zu ökonomischen und ökologischen Homöostasen, also ausgleichenden Selbstregulierungen einer Gesellschaft.“

„Ich liebe die in Jahrtausenden organisch gewachsene europäische Vielfalt, ich habe die Kultur Europas in mir aufgenommen, ich kann mir Rechenschaft ablegen von 3 000 Jahren europäischer Geschichte!“

„Die kulturellen Konflikte werden zunehmen. Das ist übrigens eine natürliche Gesetzmäßigkeit. Je mehr die Anzahl von Menschen zunimmt, je größer die Population auf begrenzten Raum wird, desto mehr Aggression. Naturgesetz.“

„Nach UNHCR-Prognosen kommen bis 2050 etwa 950 Millionen Migranten aus Afrika und aus dem nahöstlichen Raum nach Europa. Vor diesem Hintergrund wird klar: Wir dürfen nicht länger einer politischen Kaste das Feld überlassen, die von Selbsthass zerfressen ist und die die ökologischen Grundgesetze nicht kennt!“

„Unsere Altparteien-Politiker haben nicht nur alles verloren, was man gesunden Menschenverstand nennt, sie sind auch nicht mehr in der Lage, die ökologischen Grundgesetze auf die Politik anzuwenden. Man muss bedenken: Afrika hat einen Geburtenüberschuss von 30 Millionen Menschen im Jahr.“

Afd als „identitäre Kraft“

Höcke definiert das Bedürfnis nach identitärer Bindung an das Volk als eine „anthropologische Prämisse“. Die Frage der Identität sei daher die „zentrale Frage der Menschheit im 21. Jahrhundert“ und die AfD sei die „identitäre Kraft“. Den Deutschen „wesensfremd“ sei hingegen der Islam.

„Die Frage nach der Identität ist die zentrale Frage der Menschheit im 21. Jahrhundert.“

„Die Sachsen haben eine stark ausgeprägte Identität. …Die AfD kann sich dort als werteorientierte und identitäre Kraft besonders gut etablieren.“

„Der Mensch ist auf Orientierung hin angelegt. Entwurzelung und Entgrenzung überfordern die meisten Menschen und verunmöglichen Identifikation. Nur aus der Identifikation mit etwas resultiert ein Leben für etwas, das über das Elementar-Triebhafte und Selbstbezogene hinausdrängt. In postmoderner Beliebigkeit kann sich keine wertgebundene Gemeinschaft gründen. Und nur eine wertgebundene Gemeinschaft bringt dauerhafte Staatlichkeit hervor. Wer demokratische Rechtsstaatlichkeit einfordert, muß ihre anthropologischen Prämissen definieren.“

„Wir wollen den Egoismus überwinden und wieder ein gemeinschaftsorientiertes Werte-, Sitten- und Normengefüge leben.“

„Langfristig muß ein Volk seinen Fachkräftebedarf allerdings aus dem eigenen Nachwuchs decken. Alles andere ist dekadent.“

„Der Islam ist mir wesensfremd.“

„Ist etwa eine Höherentwicklung Europas durch eine Islamisierung denkbar? Wohl kaum, denn ich sehe nicht die kulturelle Überlegenheit des Islam oder ein Innovationspotential, das dem Abendland neue Schübe verleihen könnte. Ich sehe also keinen Nutzen am Fortgang einer Entwicklung, die immer mehr Menschen registrieren. Und weil diese Entwicklung für unsere Identität ein bedrohliches Restrisiko birgt, muß sie beendet werden.“

Kulturelle Substanz“ und „Belastung“ aus „fremden Kulturräumen“

„Kultur“ ist für Höcke eine völkische „Substanz“. Diese „Substanz“ werde „verzehrt“ von „Fremdstämmigen“ aus „fernen Kulturräumen“, aus „archaischen Kontexten“. Diese Menschen seien eine Belastung.

„Befreien wir uns aus den Klauen des lebensfeindlichen Hypermoralismus: Wir, das deutsche Volk, sind moralisch nicht dazu verpflichtet, die Aufbau- und Lebensleistung von uns und unseren Vorfahren bis hin zur Selbstzerstörung unseres Gemeinwesens und seiner politischen Kultur den Hoffnungen der Migranten zu opfern. Wir sind nicht verpflichtet, unsere materielle und kulturelle Substanz zu verzehren.“

„Wir, das deutsche Volk, sind nicht verpflichtet, unsere materielle und kulturelle Substanz und unsere auf numerischer Überlegenheit beruhende Selbstbestimmung im eigenen Land auf Dauer einer fremdstämmigen Migrantenmehrheit zu opfern.“

„Unsere Sittlichkeit, die alltäglichen Selbstverständlichkeiten im Umgang miteinander, unsere staatlichen Institutionen brauchten Jahrhunderte, um sich herauszubilden. Multikulturelle Gesellschaften sind Schönwettergesellschaften.“

„Aber der Massenzuzug aus einem ganz fernen Kulturraum, der islamische, der archaische Kontext, der belastet uns.“

„Wir wollen diese Menschen … gar nicht integrieren! … Diese Menschen sind keine Bereicherung! Sie sind eine Belastung“

Zweiter Weltkrieg und Deutschlands „Neurotisierung“ seither

Höcke forderte in seiner Dresdner Rede am Tag des Urteils des BVerfG eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ („Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als den Franz-Josef Strauß zeitens. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Wir brauchen so dringend wie niemals zuvor diese erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.“) Das Mahnmal zur Shoah in Berlin bezeichnete Höcke in dieser Rede als „ein Denkmal der Schande“. Ich habe die entsprechende Rede hier transkribiert: Höcke: „dämliche Erinnerungskultur“. Die Inhalte dieser Rede klangen auch vorher schon bei ihm an. Ähnlich wie der langjährige NPD-Lantagsabgeordnete Jürgen Gansel in seinem zentralen Text zur „Dresdner Schule“ der NPD sprach auch Höcke von einer „Neurotisierung“ des deutschen Volkes nach 1945 (nicht vor 1945!):

„Japan ist ein sehr traditionsbewusstes Land. Die sind zwar im Zweiten Weltkrieg auch vernichtend geschlagen worden, aber sie haben ihre Tradition nicht ad acta gelegt.“

„Hier äußert sich keiner jener nachgeborenen, moralisierenden Besserwisser, die in Schulen und Universitäten mit erhobenen Zeigefingern dozierend, willentlich oder aus Unwissenheit, der dauerhaften Neurotisierung des deutschen Volkes Vorschub leisten.“

Duldsames Volk“ und Deuschlands „Erwachen“ im Kampf um „Sein oder Nichtsein“

Das deutsche Volk wird von Höcke als „gutherzig“, „barmherzig“, „hilfsbereit“, „tolerant“ und „duldsam“ beschrieben. Diese Kennzeichnung bezieht sich am allerwenigsten auf den aktuellen Zustand des „deutschen Volkes“, denn heute ist es „neurotisiert“ und „dekadent“. Es handelt sich mehr um die „überzeitliche“ Kennzeichnung, um die „Wesenseigenschaften“ des „deutschen Volkes“. Als Geschichtslehrer müsste Höcke eigentlich wissen, dass diese Kennzeichnung des „deutschen Volkes“ zumindest im Nationalsozialismus unpassend ist, um es einmal sehr sehr vorsichtig auszudrücken. Höcke behauptet, dass nun selbst ein so „duldsames Volk“ wie das deutsche an die Grenzen seiner Duldsamkeit stößt. Er fordert, dass „Deutschland“ „erwacht“. In dieser „historischen Wendezeit um Sein oder Nichtsein“ durch ein „Tal der Tränen“ gehen müssen, um sich als Volk zu „erneuern“.

„Das deutsche Volk ist ein gutherziges und barmherziges Volk, es ist ein hilfsbereites und tolerantes Volk und es ist ein duldsames Volk. … Die Deutschen werden munter, sie bemerken, daß ihre Gutmütigkeit ausgenutzt wird und ihnen wird gewahr, daß die Altparteien Toleranz predigen, aber Selbstaufgabe meinen. Die Altparteien lösen Deutschland auf, wie ein Stück Seife unter einem Strahl lauwarmen Wassers. Dieses seit Jahrzehnten ablaufende Projekt wird jetzt beendet.“

„Für unsere Vaterländer, für unser gemeinsames europäisches Haus geht es in dieser historischen Wendezeit um Sein oder Nichtsein. Die in- und ausländischen Altparteien stehen auf der Seite des Nichtseins. Unsere Verbündeten stehen auf der Seite des Seins. Wir gratulieren Marine Le Pen zu ihrem überragenden Wahlerfolg. Frankreich und Europa dürfen noch hoffen!“

„Und vom deutschen Volk fordere ich, daß es endlich aus seinem Dämmerzustand erwacht. Wir Deutschen müssen wieder lernen, wir selbst zu sein. Und wir müssen lernen zwischen Toleranz und Selbstaufgabe zu unterscheiden!“

„Ich glaube nicht, dass dieses Land an einem Tal der Tränen vorbeikommt. Wir werden durch ein Tal der Tränen gehen müssen, dafür sind wir schon viel zu weit auf der Schussfahrt ins Tal. … Nach dem Tal der Tränen ein Erneuerungspotential bereit zu halten – das ist vielleicht die historische Mission der AfD“

Assimilation“ statt Integration

Höcke unterscheidet nicht nur „Deutsche“ und „Nicht-Deutsche“. Er spricht von „Bio-Deutschen“ und „Nicht-Biodeutschen“. Eine „Integration“ sei in das „organisch gewachsene Volk“ der Deutschen für Fremde nicht möglich. Dies würde zum „gleichgeschalteten Einheitsmenschen“ führen. Möglich sei statt einer Integration nur eine „Assimilation“, also eine „hundertprozentige Integration“. „Was nicht assimiliert werden kann“, „muss unser Land verlassen und zwar schnell“.

„Wir brauchen eine klare Richtlinie: Was können wir assimilieren und was können wir nicht assimilieren?“

„Wer nicht assimilationsfähig oder nicht assimilationswillig ist, der muss unser Land verlassen und zwar schnell.“

„Wir beziehen unser Selbstverständnis nicht aus einem reinen Willensakt, sondern sind historisch gewachsen. Deshalb müssen wir in der Einwanderungspolitik auch von der Vorstellung der Integration weg – und hin zum Leitbild der Assimilation kommen.“

„Wir brauchen keine Integration von Flüchtlingen. Für die, die dauerhaft bei uns leben wollen, muss der Assimilationsdruck erhöht werden. Und dazu braucht es zweierlei, liebe Thüringer. Erstens braucht es dazu Liebe zu uns selbst. Nur wenn wir endlich wieder wir selbst werden, nur wenn wir wieder lernen unser Land zu lieben, dann sind wir auch attraktiv für fremde Menschen, und nur dann wollen wir auch Deutsche werden. Und zweitens: Wir brauchen eine radikale Begrenzung der Zuwanderung.“

„Seit Jahrzehnten läßt man Menschen ins Land, die uns nicht nutzen und nicht zu uns passen.“

„Und ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, die Zukunft meines Volkes und seiner Kultur zu verteidigen. … Und weil ich die Vielfalt liebe, lehne ich den gleichgeschalteten Einheitsmenschen ab.“

„Dabei gibt es nur noch 64,5 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund.“

Fazit

Nimmt man allein die oben genannten Zitate – es gibt noch sehr viel mehr, die in eine ähnliche Richtung gehen – zeigt sich, dass Höcke alle Bestandteile des Volksgemeinschaftskonzeptes vertritt. Darüber hinaus bedient auch Höcke sich der nationalsozialistischen Rhetorik, wie ich in einem Beitrag für das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung nachwies (es folgt demnächst ein aktualisierter Artikel, der auch auf neuere Fundstellen eingeht).

Wenn Höcke aufgrund seines Konzeptes der Volksgemeinschaft und aufgrund des Rückgriffs auf NS-Rhetorik ähnlich verfassungsfeindlich ist wie die NPD, wenn er und die Partei AfD (er wurde Ende des Jahres 2016 mit 94% als Parteivorsitzender in Thüringen bestätigt) aber sehr viel erfolgreicher ist als die NPD, müsste dann nicht zumindest der Thüringer Landesverband der AfD verboten werden?

Er erster Schritt sollte zumindest in Hessen stattfinden. Noch immer hat das Schulamt Björn Höcke nicht vorgeladen. Noch immer ist ungeklärt, was Björn Höcke mit dem Neonazi „Landolf Ladig“ in den Jahren 2011 und 2012 zu schaffen hatte, bzw. ob Björn Höcke sogar selbst unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ schrieb, wofür alle Indizien sprechen. Noch immer ist also Björn Höcke in Hessen verbeamteter Geschichtslehrer. Er sollte nicht entlassen werden, ohne dass vorher das Schulamt ihn zu seinen Nazi-Verbindungen in seiner Zeit als Geschichtslehrer ausgiebig befragt. Denn der Presse gegenüber äußert sich Höcke nicht, die Zeit der Rechtfertigung sei vorbei – das gelte für ihn persönlich als auch für das nationalsozialistische Deutschland.

Weitere Infos zu diesem Kontext:

 

 


„Denkmal der Schande“ oder Höckes Schatten

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Björn Höcke sprach in Dresden vom „Denkmal der Schande“ und meinte damit das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin. Zugleich sprach er von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ und forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. „180 Grad Wende“ meint metaphorisch: Genau das Gegenteil von dem, was vorher war. Im Zweiten Weltkrieg werden nicht mehr die Deutschen angeklagt, sondern die Deutschen klagen jetzt mal die anderen an. Nicht mehr die Shoah ist die Schande, sondern es ist eine Schande, dass uns die Shoah noch immer vorgehalten wird. Interpretiert wurde Höckes Rede entsprechend dieses Kontextes. Dieser Kontext ging mit keinem Wort auf die deutschen Verbrechen ein und auch nicht auf die Shoah, auf die Ermordung der Jüd*innen. „Denkmal der Schande“ wurde entsprechend interpretiert als „Schande, dass Deutschland ein derartiges Denkmal im Herzen seiner Hauptstadt hat“. Höcke hingegen reklamiert für sich nachträglich die Interpretation „Denkmal, welches auf die deutsche Schande der Shoah verweist“. Voller Empörung weist er die andere Interpretation als „bösartig“ zurück.

Schon häufiger benutzte die AfD doppeldeutige Aussagen. Wie funktioniert das? Ich möchte dies anhand eines unbearbeiteten Screenshots von Björn Höcke aus seiner Dresdner Rede als Dokumentation verdeutlichen:

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Ich hatte auf Twitter dazu geschrieben: „Björn Höcke hat einen Schatten“. Das ist eine korrekte Aussage. Unter der Nase von Björn zeichnet sich ein Schatten des Mikrofons ab. Alle Interpretationen dieser Tatsachenfeststellung weise ich mit Empörung zurück. Weder wollte ich damit ausdrücken, dass Herr Höcke einen an der Klatsche hat, noch wollte ich damit irgendwelche Hitler-Assoziationen erwecken.

So funktioniert die AfD-Rhetorik.

Weitere Infos zu diesem Kontext:


Das Kultusministerium kann Höcke zu „Ladig“ befragen

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Gestern erschien in der FAZ der Artikel „Vom schwierigen Umgang mit dem Beamten Höcke“. Es wurde berichtet, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen, unter anderem das Hessische Kultusministerium, eine potentielle Rückkehr Höckes in den Lehrerberuf verhindern wollen. Höcke ist verbeamteter Geschichtslehrer in Hessen und zur Zeit beurlaubt. Seit der Beurlaubung, seit Höcke AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringen Landesparlament ist, gilt für ihn das Mäßigungsgebot nicht mehr. Daher sei es schwierig, so der Artikel, zu verhindern, dass Höcke wieder Lehrer werden könne: „Diese Möglichkeit wollen nicht nur die Schülervertreter ausschließen, sondern so ziemlich alle, die in Wiesbaden Verantwortung tragen. Sie wissen nur nicht, wie.“

Wenn es schwierig ist, ihn wegen aktueller Äußerungen vom Unterrichten auszuschließen, dann müsste es möglich sein, ihn wegen potentieller Äußerungen aus den Jahren 2011/2012, als es die AfD noch nicht gab, als er noch Lehrer war, zu befragen. Es gibt eine Indizienkette, die darauf hinweist, dass Höcke unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ Neonazi-Texte schrieb. „Ladig“ schrieb 2011, dass Deutschland von fremden Mächten aufgrund des Neides auf den Fleiß der Deutschen zweimal – Erster und Zweiter Weltkrieg – überfallen wurde. Beim Zweiten Weltkrieg käme noch hinzu, dass verhindert werden sollte, dass die erfolgreiche NS-Wirtschaftspolitik sich auf andere Länder ausdehne. Die Begeisterung für die NS-Wirtschaftspolitik sei in der „Identitären Systemopposition“ noch vorhanden. Und wenn demnächst die Revolution los ginge, dann müsse sich die „Identitäre Systemopposition“ an die Spitze dieser Revolution setzen, um die NS-Wirtschaftspolitik auf rassenbiologischer Grundlage wieder einzuführen. Es kann als bewiesen gesehen werden, dass Höcke etwas mit diesem „Ladig“ zu tun hat. Die Indizienkette ist derart dicht, dass die einzig plausible Erklärung dieser Indizien in einer Identität von Höcke und „Ladig“ besteht. Ob die Indizien bereits eine Beweiskraft haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Einhundertprozentige Beweise gibt es nicht: Auch Zeugenaussagen, Geständnisse, unterschriebene Schriftstücke können fingiert sein. Die Indizienkette ist jedenfalls so dicht, dass es sich nicht um wilde Spekulationen handelt, sondern um einen Befund an erklärungsrelevanten Überzufälligkeiten, die Höcke erklären müsste. Denn als verbeamteter Geschichtslehrer hat er sich nicht nur gemäßigt zu äußern, er darf natürlich auch nicht arglistig seinen Dienstherren hintergehen, und unter Pseudonym Neonazi-Texte schreiben.

Höcke weigert sich bislang, die Überzufälligkeiten aufzuklären. Gegenüber der Presse äußerte er „Die Zeit der Rechtfertigung“ sei „vorbei“. Das Kultusministerium hingegen könnte Höcke vorladen und zu „Ladig“ befragen.


Höcke will erneut in Buchenwald provozieren

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Höcke will wieder in Buchenwald provozieren.

Vor zwei Jahren wollte der AfD-Landeschef von Thüringen, Björn Höcke, in der Tradition der NPD am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27.01.2015) einen Kranz für „alle Opfer“ in Buchenwald niederlegen – also auch für die NS-Täter, die nach 1945 in Buchenwald inhaftiert waren. Nachdem Volkhard Knigge, der Vorsitzende der Gedenkstätte Buchenwald, dies untersagte, sprach der Geschichtslehrer vom „ungebührlichen Verhalten des Hysterikers“ Volkhard Knigge“.

Die Landtagsabgeordneten Thüringens sind zum Gedenktag in Buchenwald eingeladen. In diesem Jahr wurde jedoch Björn Höcke aufgrund seiner Rede in Dresden („dämliche Bewältigungspolitik“) allerdings zur „unerwünschten Person“ erklärt. Höcke kündigte an, dass ihn das nicht interessiere, er werde am 27.04. um 14 Uhr mit seinen Kollegen von der AfD seiner „Trauer um die Ermordung der deutschen und europäischen Juden Ausdruck verleihen.“


Repräsentationslücke und Faschismus

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In Münster haben gestern 8.000-10.000 Menschen gegen die AfD demonstriert. Anlass war ein Auftritt Frauke Petrys im historischen Rathaussaal. Die Mobilisierung war ein großer Erfolg, zumal die Menschen mehrere Stunden bei eisiger Kälte lautstark deutlich machen, dass die AfD und Petry in Münster nicht willkommen sind.

10000 demonstrieren gegen AfD

Diese Demonstrationen sind sehr wichtig, sie konfrontieren die AfD mit ihrem Wahn, sie seien das Volk. Es ist auch wichtig für die Menschen, die gegen die AfD kämpfen, denn sie sehen, dass sie nicht alleine sind. Ein wirklicher Widerstand ist so eine Demonstration allerdings nicht. Eine Demonstration ist eine Protestaktion, eine Demonstration des Widerstands, aber nicht der Widerstand. Daher unterstütze ich das Konzept des Organisationsteams, während der Bühne nur Repräsentant*innen der Gruppen sprechen zu lassen, die alltäglich Widerstand leisten, sich gegen die rückschrittlichen Tendenzen wehren, die von der AfD vorangetrieben werden. Hier gibt es allerdings ein großes Problem. Was ist mit den gesellschaftlichen Gruppen, die die AfD und ähnliche Organisationen bekämpfen, die aber keine gesellschaftliche Repräsentation haben? Der Beststeller zum Erstarken der rechten Parteien ist „Rückkehr nach Reims“, in dem sich der französische Soziologe Didier Eribon mit dem Rechtsruck seiner arbeiterlichen Herkunftsfamilie auseinandersetzt. Wäre Didier Eribon Münsteraner, so hätte er gestern keine Redezeit auf der Bühne erhalten. Denn er repräsentiert keine gesellschaftliche Gruppe. Oder?

Tatsächlich repräsentiert Eribon eine gesellschaftliche Gruppe, so wie er sind viele sogenannte „Bildungsaufsteiger*innen“ konfrontiert mit der politischen Orientierung ihrer Herkunftsfamilie. In Österreich votierten 17% der Menschen mit akademischen Abschluss für den Kandidaten der FPÖ, 83% für den Kandidaten der Grünen – 85% der Arbeiter*innen hingegen wählten FPÖ und nur 15% der Arbeiter*innen grün. Menschen, die aus dem Arbeiter*innenmilieu stammen und einen Hochschulabschluss anstreben oder erzielten, haben mehrheitlich einen politischen Konflikt mit den Eltern und Verwandten. Eribon repräsentiert also keinen Einzelfall, sondern ein Grundproblem seiner gesellschaftlichen Gruppe, die man als Working Class/ Poverty Class Academics (WCPCA) bezeichnen könnte.

Die WCPCA sind eine gesellschaftliche Gruppe. Und Eribons Buch zeigt die Relevanz dieser Gruppe. In den Vereinigten Staaten gibt es schon seit Jahrzehnten eine entsprechende informelle Organisierung dieser Gruppe von „Bildungsaufsteiger*innen“ in Form eines E-Mail-Austausches, in Deutschland ebenfalls seit ein paar Jahren. Neben dieser informellen Organisierung als E-Mail-Verteiler-Gruppe gibt es eine politische Organisation als autonomes Referat von Working Class Students in Münster, das sogenannte Fikus-Referat. Aber diese Organisierung unterläuft die Wahrnehmungsschwelle des politischen Establishments oder deren Wahrnehmungsbereitschaft. „Arbeiterkinder? Es gibt doch keine Arbeiter mehr!“ – doch die Arbeiter, das Proletariat und die de facto arbeitslose proletarische Reservearmee, gibt es und die wählen immer häufiger AfD, FPÖ, Front National, Brexit und Trump. Darauf macht Eribons „Rückkehr nach Reims“ eindrücklich und warnend aufmerksam.

Ich habe mich über den Protest in Münster gefreut und auch darüber, einfach nur teilnehmen zu können. In der Regel sitze ich auf der Bühne, drei- bis viermal die Woche, seit die AfD entstanden ist. Sehr wahrscheinlich bin ich der meistgefragte Referent zur AfD und habe entsprechend mehrere hundert Vorträge zur AfD gehalten. Daher freute ich mich, einfach mal im Meer der AfD-Gegner*innen in Münster baden zu können. Politisch richtiger wäre es wahrscheinlich gewesen, als Organisator der WCPCA-Gruppe in Deutschland und als Gründer des Fikus-Referates in Münster, das Bündnis „Kein Fußbreit den Nazis“ in Münster um einen kurzen Redebeitrag zu bitten, um auf die nächste Vollversammlung der studierenden Arbeiter*innenkinder an der Uni Münster hinzuweisen. Diese findet am 24.02.2017 statt, also genau 14 Tagen nach dem großartigen Protest in Münster. Vielleicht war es mein für Arbeiterkinder typisches Impostor-Syndrom (Hochstapler-Syndrom: das Gefühl, ein Hochstapler zu sein, wenn man etwas macht, was einem vermeintlich als Arbeiterkind doch gar nicht zusteht), das mich gehindert hat, diesen kurzen Redebeitrag anzubieten. Vielleicht war es auch die Müdigkeit, immer wieder in die Kampfposition zu gehen, um auf die Relevanz der politischen Selbstorganisierung von Working Class / Poverty Class Academics hinzuweisen. Vielleicht auch Arroganz, wer täglich mehrere Einladungen erhält, der wird irgendwann zu stolz, sich selber anzubieten: Wenn ihr nicht von euch aus merkt, wie wichtig mein Beitrag ist, dann habt ihr halt eure Gelegenheit verpasst. Die Soziologin Erika Haas fordert übrigens, dass Arbeiter*innenkinder arroganter werden, dass sie den Habitus der Souveränität einnehmen.

„Erfindet die Linke neu!“ fordert die US-amerikanische Politik- und Sozialwissenschaftlerin Nancy Fraser nach dem Erfolg von Trump in einem aktuellen Beitrag : „Diese Situation [Wahlsieg von Trump] birgt nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen: die Möglichkeit, eine ’neue Linke‘ zu schaffen.“ Damit meint sie: „Vor allem aber werden wir auf jenen großen Teil der Trump-Wähler zugehen müssen, die weder Rassisten noch entschiedene Rechte, sondern Opfer eines ‚manipulierten Systems‘ sind – Menschen, die für das antineoliberale Projekt einer verjüngten Linken gewonnen werden können und müssen. […] Dazu müssen wir die Leiden von Frauen und von Schwarzen Menschen mit jenem Leid in Beziehung bringen, das so viele Trump-Wähler quält. Auf diese Weise könnte eine revitalisierte Linke das Fundament für eine machtvolle neue Koalition legen, die sich vornimmt, Gerechtigkeit für alle zu erkämpfen.“ (Nancy Fraser: Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2/17)

Auf die Trump- oder AfD-Wähler*innen gehen mehrheitlich studierende Arbeiter*innenkinder ständig zu, sie müssen auf sie zugehen. Meistens dann, wenn sie ihre Herkunftsfamilie besuchen. Zigtausende von allwöchentlichen Einzelkämpfen, von oftmals isolierten Einzelkämpferinnen, die es im Hochschulalltag im strukturellen „Habitus-Struktur-Konflikt“ zwischen Herkunfts- und akademische Kultur sowieso schon schwer haben. Auf die Trump- und AfD-Wähler*innen zuzugehen ist eine Metapher, sie lässt sich vom Bild her fortsetzen mit Die Trump- und AfD-Wähler in der Bildungsferne besuchen. Kurzfristig macht dies Sinn. Langfristig sollte es hingegen diesen „Ort“ der Bildungsferne nicht mehr geben. Mittelfristig ist also der Kampf gegen die sogenannte Bildungsferne, also die soziale Selektion im Bildungswesen angesagt. Das wurde bereits im Rahmen der nur zum Teil geglückten Entnazifizierung mit der Direktive 54 der Alliierten 1947 gefordert. Und auch hier sind die WCPCA gefragt. Wer sonst sollte die ausstehende Direktive 54 der Alliierten durchsetzen, die darin besteht, die deutsche Bildungsstruktur zu demokratisieren, wenn nicht die WCPCA? Hierzu ist ihre Selbstorganisierung gefragt. Die informelle Mitarbeit im E-Mail-Verteiler der WCPCA und die Gründung von zwei, drei, vielen autonomen Referaten von studierenden Arbeiter*innenkindern mit dem deutlichen Auftrag, die allseits bekannte Bildungsbenachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft abzuschaffen. Der antifaschistischen Zivilgesellschaft hingegen kommt die Aufgabe zu, sich selbstkritisch hinsichtlich klassistischer Muster zu hinterfragen und von sich aus die offene Bereitschaft zu zeigen, die Repräsentationslücke zu schließen.

Die Linke neu zu erfinden, heißt, Klassismus ernst zu nehmen, heißt, der Repräsentation der von Klassismus betroffenen Gruppen Raum zu geben: in den Medien, in der Wissenschaft, in politischen Verbänden, in Antidiskriminierungsstellen, in Diskussionspodien und Veranstaltungen usw… und eben auch auf der Bühne von Anti-AfD-Kundgebungen.

Wen es interessiert: Die nächste Vollversammlung studierender Arbeiter*innenkinder (Studierende mit sogenannter „niedriger sozialer Herkunft“ wie es wissenschaftlich-abwertend heißt) in Münster ist am 24.02.2017 um 18 Uhr im S1. Das Referat besteht seit knapp 15 Jahren und ist bislang leider das einzige in Deutschland.



Parteiauschlussverfahren gegen Björn Höcke

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Der Bundesvorstand der AfD hat mit einer Zweidrittelmehrheit wieder einen Parteiausschluss von Höcke beim Landesschiedsgericht Thüringen beantragt. Gegen diesen Ausschluss stimmten die Bundesvorstands- und Landesvorsitzenden Alexander Gauland (Brandenburg), André Poggenburg (Sachsen-Anhalt), Jörg Meuthen (Baden-Württemberg) und Armin-Paul Hampel (Niedersachsen).

Aktueller Grund für dieses Parteiauschlussverfahren ist die Rede Höckes in Dresden, die international für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Höcke sprach dort von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ Höcke wurde nach dieser Rede unter anderem von der Teilnahme an der Trauerfeierlichkeiten im Konzentrationslager Buchenwald ausgeladen. Nach seiner Rede hatte zunächst Alice Weidel im Bundesvorstand ein Parteiauschlussverfahren gefordert. Diesen Antrag zog sie zurück. Es wurde stattdessen mit einer Zweidrittelmehrheit ein Ordnungsverfahren beschlossen, welches auch ein Ausschlussverfahren beinhalten kann. Warum sich eine Zweidrittel-Mehrheit nun doch zu einem Ausschlussverfahren durchrang, ist unklar.

Das Verfahren sieht vor, dass der Bundesvorstand diesen Ausschluss zunächst beim Landesschiedsgericht Thüringen beantragt. Dieses könnte den Antrag bereits ablehnen. Falls es den Antrag nicht berarbeiten möchte oder beschließt, Höcke auszuschließen, könnte Höcke das Bundesschiedsgericht anrufen und selbst wenn dieses Höcke ausschließt, könnte Höcke noch Widerspruch einlegen. Normalerweise dauert ein solches Ausschlussverfahren mehrere Monate bis zu einem Jahr. Es könnte sein, dass aufgrund der NRW- und Bundestagswahl das Ganze beschleunigt wird. Sowohl das Thüringer- als auch im Bundesschiedsgericht gilt als weiter rechts als der Petry/ Pretzell/ Weidel-Flügel.

Ob der Bundesvorstand auch einen weitergehenden Beschluss gefällt hat, wonach sofort sämtliche Parteiämter ruhen sollen, ist bislang noch unklar. Dieses müsste dann innerhalb von drei Tagen begründet werden. Ein solcher Zusatz könnte eventuell mit dem Hausverbot durch das Maritim-Hotel in Köln begründet werden. Dort soll am 22./23.03. der nächste Bundesparteitag stattfinden. Es ist fraglich, ob der Bundesparteitag in Köln stattfinden kann, wenn einzelne Parteimitglieder im Hotel Hausverbot haben. Damit stünde dann der gesamte Tagungsort in Frage.

Dies ist nicht der erste Antrag des Bundesvorstands an das Landesschiedsgericht. Bereits im Sommer 2015 stellte der Bundesvorstand ein Parteiamtsenthebungsverfahren gegen Björn Höcke. Höcke hatte behauptet, nicht jeder NPDler sei ein Extremist, und er war der Aufforderung des Bundesvorstandes nicht nachgekommen die Erklärung „Ich habe zu keinem Zeitpunkt unter dem Pseudonym Landolf Ladig Texte geschrieben, an Texten, die unter diesem Pseudonym veröffentlicht wurden, mitgearbeitet und/oder in irgendeiner Form wissentlich verbreitet oder an der Verbreitung mitgewirkt.“ zu unterschreiben. Das damalige Verfahren wurde im Bundesvorstand beendet, nachdem der Lucke-Flügel die AfD verlassen hatte. Der damalige Antrag der Amtsenthebung Höckes sei nicht unterfüttert gewesen, begründete Poggenburg.

Hätte der AfD-Bundesvorstand Björn Höcke loswerden wollen, hätte er sehr viel früher handeln können. Die Dresdner Rede von Höcke ist keinesfalls ein besonders krasser „Ausrutscher“ von Höcke gewesen, sondern Höcke hat sich zuvor bereits in der Form und noch deutlicher geäußert. Und Höcke hat in der Dresdner Rede auch keinesfalls „provoziert“, sondern sich sehr wahrscheinlich gemessen an seinem eigentlichen Standpunkt noch immer zurück gehalten.

Nachtrag 13.02.2017 17:24

Die Patriotische Plattform fordert eine Neuwahl des Bundesvorstandes aufgrund von parteischädigenden Verhalten.

Nachtrag 13.02.2017 22:40

Wie die Sächsische Zeitung berichtet, wurde Björn Höcke in dem Film „Come Together“ von Barbara Lubich erkannt. Er ist dort während der Neonazi-Demo in Dresden am 13.02.2010 vor dem Bahnhofplatz zu sehen.Die AfD Thüringen bestätigte, dass Höcke dort 2010 mit zwei Freunden teilgenommen habe. Es handelte sich bei diesen jährlichen Gedenk-Demonstrationen zu den Bombenabwürfen auf Dresden um die größten Neonazi-Demonstrationen. Angemeldet wurden die Demonstrationen zunächst von der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), die ursprünglich Junge Landsmannschaft Ostpreußen hieß, nach ihrem Rechtsruck ab 1999 sich 2006 umbenennen musste. Höcke kommt nach eigenen Angaben aus einer sehr politischen Familie, sein Großeltern und Eltern waren in der Landsmannschaft Ostpreußen organisiert. Höcke hatte in den 1990er Jahren bis 1999 in Gießen und Marburg Geschichte studiert, genau wie Jürgen Gansel, der in den 1990er Jahren der Vorsitzende der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen gewesen ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Höcke bereits damals Kontakte zur JLO und zu Gansel hatte. Zumindest klingen die Redewendungen und Begrifflichkeiten, die Höcke verwendet, sehr ähnlich wie die einschlägigen Begriffe von „Wesen und Wollen der ‚Dresdner Schule'“ von Jürgen Gansel von 2005. Gansel war zu dem Zeitpunkt NPD-Landtagsabgeordnetet in Dresden. Höcke hatte 2006 eine Rüge als verbeamteter Geschichtslehrer erhalten, weil er sich unangemessen zu den Bombenangriffen in Dresden geäußert hatte.


Höckes Nazidemo-Teilnahme als weiteres Ladig-Indiz

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Björn Höcke nahm am 13.02. 2010 an der Neonazi-Demo in Dresden teil, die den Opfern der Bombenabwürfe in Dresden „gedenken“ wollte. Dies wurde von der AfD-Thüringen bestätigt. Allerdings hieß es in der Bestätigung, „er wollte sich ein Bild“ machen. Die Video-Aufnahmen von 2010 zeigen allerdings einen Björn Höcke, der lautstark skandiert „Wir wollen marschieren“. Direkt hinter ihm sind rechte Skinheads und eine vermummte Person zu sehen, im Hintergrund schwarz-weiß-rote Fahnen. Angemeldet wurde die Demo von der rechtsextremen JLO. Höcke war kein „interessierte Beobachter“, sondern ein aggressiver Akteur, der das Voranschreiten der von Antifaschist*innen blockierten Nazidemo einfordert.

Mit dieser Aufnahme zerbricht endgültig seine mehrfach wiederholte Behauptung, er sei als Familienvater aus tiefer Sorge um seine Kinder in die Politik gegangen. Zu der Zeit, als Höcke aktiv an der Nazidemo teilnahm, war er verbeamteter Geschichtslehrer in Hessen. Er hatte vier Jahre zuvor, 2006, von der Schulleitung eine Missbilligung für einen Leserbrief erhalten, weil er sich dort in einer Weise über die Bombenabwürfe äußerte, die in Konflikt mit dem Mäßigungsgebot für Beamte und vor allem für Geschichtslehrer stand. 2007 teilte er dem Herausgeber der neurechen Wochenzeitung „Junge Freiheit“, Dieter Stein, mit, zukünftig unter Pseudonym schreiben zu wollen. Tatsächlich findet sich nur noch ein Leserbrief von Höcke, den er nicht unter Pseudonym geschrieben hat. Dieser Leserbrief von 2008 taucht drei Jahre später allerdings beinahe komplett und satzgetreu ohne Angabe der eigentlichen Urheberschaft im ersten Artikel eines „Landolf Ladig“ auf. Die Indizienkette, dass Höcke „Ladig“ ist, war schon vor Monaten so dicht, dass alternative Erklärungen als die der Identität extrem unplausibel wirken. Jetzt kommt also auch noch die aktive Teilnahme an einer Neonazi-Demo hinzu. Wer 2010 aktiv und lautstark an einer Neonazi-Demo teilnimmt, dem ist auch zuzutrauen, dass er 2011/2012 unter Pseudonym Neonazi-Texte schreibt.

Höcke scheint im vollen Bewusstsein des Konflikts seiner politischen Aktivitäten mit seiner Position als Lehrer seine Aktivitäten verschleiert zu haben. Bekennende Verfasser von Inhalten, wie sie sich in den Ladig-Artikel finden, wären als Lehrer umgehend entlassen worden – es ist daher wahrscheinlich, dass Höcke bewusst seinen Dienstherren hintergangen hat. Das hessische Kultusministerium ist nun in der Verantwortung, die Aktivitäten des hessischen verbeamteten Oberstudienrates in der Zeit von 2006, der ersten Rüge, bis zu seiner Beurlaubung, aufzuklären. Gegenüber der Presse hat Höcke verkündet, die Zeit der Rechtfertigung sei vorbei. Gegenüber seinem Dienstherren kann er diese Position nicht so einfach einnehmen. Hier hat er selber die Zweifel auszuräumen, die gegenüber seiner Qualifikation als Lehrer nun mehr als deutlich zutrage getreten sind.  Als Beamter und als Geschichtslehrer hat er eine Rechenschaftspflicht, die das Ministerium nun einfordern sollte.


Grenzt die Neue Rechte, also die AfD, aus

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Gestern Abend, nach einem Vortrag in Köthen, ging die Diskussion wieder los. Wir müssen doch mit der AfD reden, wir dürfen sie nicht ausgrenzen, usw.. Es war zwar eine Minderheitenposition, allerdings eine sehr lautstarke. Richtig ist: wir sollten mit AfD-Wähler*innen und Sympathisant*innen reden (wenn es geht, auch da gibt es Grenzen (Rassismus, Sexismus, Klassismus…)). Auf keinen Fall aber sollten AfDler*innen zu Gesprächen oder auf Podien eingeladen werden. Dazu ist die AfD inzwischen viel zu verwoben mit der Neuen Rechten. Gerade das letzte Wochenende hat die Stärke des Höcke-Flügels in der AfD gezeigt. Der Höcke-Gegner Petr Bystron wurde in Bayern abgestraft, Frauke Petry musste in Sachsen gleich mehrere Niederlagen gegen den Höcke-Flügel einstecken, in Sachsen-Anhalt wurde dem Landesvorstand unter dem Höcke-Kumpel André Poggenburg freie Hand für Sanktionen gegen interne Kritiker*innen gegeben. Der sogenannte „gemäßigte Flügel“ unter Frauke Petry ist in den letzten Monaten unentwegt nach rechts gerückt. In Koblenz, beim gemeinsamen Treffen mit FPÖ, Front National, Lega Nord, PVV, Vlaamse Belang, benutzte Petry einschlägige Begriffe aus dem Vokabular der NPD bzw. der Neuen Rechten.

Ich möchte an dieser Stelle nicht zum x-ten Mal ausführen, dass alle Indizien dafür sprechen, dass Björn Höcke unter dem Pseudonym Landolf Landig 2011 und 2012 neonazistische Texte verfasst hat. Dies lässt sich auf dieser Homepage ausführlich nachlesen. Sondern ich möchte auf einen aktuellen Beitrag der Neuen Rechten verweisen, der deutlich macht, wie naiv und lächerlich es ist, mit den Funktionären der Neuen Rechten einen „offenen Diskurs“ führen zu wollen. Das Institut für Staatspolitik hat das Buch „Der Weg der Männer“ von Jack Donovan übersetzt und im hauseigenen Antaios-Verlag herausgegeben. Aktuell wird sein neues Buch „Becoming a Barbarian“ übersetzt und soll auch im Antaios-Verlag herausgegeben werden. Vor kurzem hielt Donovan eine Rede im Institut für Staatspolitik. Auf seinem T-Shirt prangte ein Totenkopf und der Spruch „Golden Violence“. Donovan führte dann aus, dass Gewalt „golden“ sei, dass wir eine Kultur der Gewalt, eine Kultur der Stärke bräuchten. Diese männliche Gewaltkultur müsste in Stämmen kultiviert werden. Er sprach den anwesenden Burschenschaftlern, die eine Narbe im Gesicht hatten, seine Bewunderung aus. Die Gewalt der Vorfahren müsse geehrt werden. Nach Innen müsse die Kultur der Gewalt entwickelt werden, nach Außen aber solle nicht die Wahrheit gesagt werden. Kein Fremder habe das Recht auf Wahrheit, es wäre okay, Fremde zu belügen. Irgendwann werde dann die Kultur der Gewalt, die männliche Kultur der Stärke über die derzeit vorherrschende Kultur der Schwäche siegen.

Diese durchgeknallte Position von Jack Donovan wird vom Institut für Staatspolitik massiv verbreitet. Das Video mit der Rede wurde bei Youtube hochgeladen. Und das Institut für Staatspolitik ist als Zentralinstitut der Neuen Rechten inzwischen verwoben mit der AfD. Nicht nur in Sachsen-Anhalt oder den anderen östlichen Bundesländern. Andreas Lichert beispielsweise ist Vorsitzender des Vereins „Institut für Staatspolitik e.V.“ und zugleich Vorstandsmitglied der AfD Hessen.

Ich darf an dieser Stelle auch Alexander Gaulands Bewunderung für das Blut-und-Eisen-Zitat Bismarcks erwähnen: „nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden […] sondern durch Eisen und Blut.“ Mit diesem Zitat gegen die Demokratie und für die Gewalt endete sein Artikel gegen den Pazifismus der Deutschen – kurz darauf gründete Gauland die AfD.

Allen, die noch immer sagen, wir müssen mit der AfD reden, wir müssen mit ihnen auf Podien diskutieren, um sie „argumentativ zu stellen“, empfehle ich dringend das Video von Jack Donovan. Solange die AfD die Neue Rechte nicht komplett aus den eigenen Reihen entfernt, ist die AfD kein Gesprächspartner. Und hier stellt sich die Frage, ob nicht inzwischen auch Frauke Petry und Marcus Pretzell nicht längst zur Neuen Rechten gehören und lediglich strategisch einen anderen Weg wählen. Das heißt, nach dem kompletten Rauswurf des Höcke-Flügels als notwendige Voraussetzung für einen Dialog mit der AfD stellt sich die Frage, ob dieser Rauswurf als Voraussetzung für einen Dialog mit der AfD hinreichend ist. Aber diese Frage könnte später entschieden werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist klar: Wer im Namen der Demokratie den offenen Dialog über Podien mit AfD-Funktionär*innen fordert, macht sich in den Augen der neurechten Donovan-Fans lächerlich und unterstützt antidemokratische Kräfte, die Dialog für Schwäche und Gewalt für Stärke halten.

Hier ein Artikel zu Jack Donovan (leider nur auf Englisch): A Chorus of Violence: Jack Donovan and the Organizing Power of Male Supremacy


Zur Konstruktion eines zweiten „Landolf Ladig“

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Björn Höcke, Landesfraktions- und Landeschef der AfD in Thüringen, droht der Parteiausschluss. Der von einer Zweidrittelmehrheit des Bundesvorstandes angeschobene Parteiauschlussantrag basiert auf einem 19seitigem Gutachten (mit Anhang über 60 Seiten), welches sich zentral auf meine Recherchen bezieht. Es geht hier um Befunde, die nahelegen, dass Björn Höcke 2011 und 2012 unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ neonazistische Texte in Magazinen des Neonazis und stellvertretenden NPD-Vorsitzenden Thorsten Heise geschrieben habe.

Landolf Ladig zum Zweiten

Mir erscheint das Ganze wie ein Deja vu: Im Frühjahr 2015 machte ich erste Überschneidungen in den Texten von Höcke und „Ladig“ bekannt, mit den Zusatzinfos, dass „Ladig“ das Wohnhaus von Höcke beschrieben habe und Höcke den Herausgeber der „Ladig“-Texte, den Neonazi Thorsten Heise, persönlich kenne. Von den Medien wurde dies erst aufgriffen, nachdem der Bundesvorstand der AfD 2015 meine Hinweise ernst nahm und von Björn Höcke ultimativ verlangte, er solle das juristisch klären, durch eine Anzeige gegen meine Person und durch eine eidesstattliche Versicherung, dass an meinen Recherchen nichts dran sei. Höcke verweigerte dies. Allerdings wurde der Bundesvorstand unter Lucke und Henkel abgesetzt und die „Ladig“-Geschichte erschien auch den Medien nicht mehr wichtig.

Nun hat wieder der AfD-Bundesvorstand, diesmal unter Frauke Petry, meine Untersuchungen aufgegriffen. Ein Gutachten, stellvertretend unterschrieben von drei AfD-Bundesvorstandsmitgliedern, hält nun die Identität von „Ladig“ und Höcke zweifelsfrei für gegeben.

Meine Recherchen hatten zahlreiche weitere Indizien für diese Identität geliefert. Zudem hat das ZDF Anfang des Jahres auf Video-Aufnahmen hingewiesen, die Björn Höcke 2010 mitten in einer Neonazi-Demo zeigen, „Wir wollen marschieren!“ skandierend. Wer 2010 als verbeamteter Geschichtslehrer an einer Neonazi-Demo aktiv teilnimmt, dem ist auch zuzutrauen, dass er 2011/2012 unter Pseudonym Neonazi-Texte schreibt.

Meine Recherchen hatten allerdings auch AfD-Parteimitglieder in Thüringen alarmiert, die nun das Indizienmosaik vervollständigten, vor allem den ehemaligen AfD-Vorsitzenden Matthias Wohlfahrt. Wohlfahrt hatte sich zunächst skeptisch mit meinen Indizien befasst, als er jedoch den „Ladig“-Text aus der NPD-Eichsfeldstimme las, erkannte er eine Passage wieder, die Björn Höcke 2013 während eines Vortrags auswendig rezitierte, ohne dies als Zitat kenntlich zu machen. Wohlfahrt konnte sich hieran gut erinnern, weil Höcke zum Rezitieren der „Ladig“-Passage in die Mitte des Raums ging. Auch zwei weitere AfD-Mitglieder konnten sich an den Inhalt dieses Redeteils erinnern, der mit dem Ladig-Text übereinstimmt.

Wohlfahrt verwies zudem auf das ehemalige AfD-Mitglied Heiko Bernardy. Im Anhang des Gutachtens ist ein Fax von Bernardy zu finden, wo es heißt: „bei unserem… Treffen am… hat er [Höcke] unverblümt zugegeben, dass er Landolf Ladig sei…“. Bernardy führte zudem aus, dass selbst dem kleinsten NPD-Mitglied die früheren Aktivitäten Höckes bekannt gewesen sein sollen, heißt es weiter im 19seitigen Gutachten.

Landolf Ladig der Zweite

Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung behauptet Bernardy aktuell: „Die Möglichkeit, etwas missverstanden zu haben, ist immerhin real. Deshalb kann es für mich juristische Folgen haben, dies öffentlich zu behaupten. Zumal mir mindestens eine Person bekannt ist, welche unter diesem Pseudonym geschrieben haben will. Und diese Person ist nicht Höcke. Das lässt zumindest Zweifel aufkommen. So wie ich es mittlerweile verstehe, ist Landolf Ladig eine Kunstperson, unter der mehrere Autoren veröffentlicht haben“. In der FAZ ist zu lesen, dass Bernardy zunächst Kontakt mit dem zweiten „Ladig“ herstellen wolle, dieser habe dann aber gesagt, er wolle nicht reden.

Interessant. Die Möglichkeit, etwas missverstanden zu haben, ist natürlich immer real, auch dann, wenn man etwas richtig verstanden hat, das Gegenüber aber etwas andere meinte. Relevant ist also nicht, ob ein Missverständnis vorlag, sondern was Höcke bei dem Geheimtreffen am Burschenschaftsdenkmal gegenüber Bernardy gesagt hatte.

Dass nun eine weitere Person das Pseudonym „Landolf Ladig“ benutzt, ist auch sehr interessant und steht im Widerspruch zu Thorsten Heises Behauptung, „Landolf Ladig“ sei ein netter älterer Herr. Heises Aussage steht im deutlichen Widerspruch zu Bernardys Aussage. In Heises „Volk in Bewegung“ ist 2016 – nach der Veröffentlichung meiner Ladig-Indizien – ein weiterer Text mit dem Pseudonym „Landolf Ladig“ erschienen. Vergleicht man die vier Texte, so sind die ersten drei stilistisch sehr ähnlich, der vierte Text fällt hingegen komplett aus dem Rahmen. Der Stilvergleich deutet darauf hin, dass Bernardy und nicht Heise die Wahrheit sagt – allerdings bin ich kein Linguist, hier würde eine Untersuchung weiterhelfen. Aus psychologischer Sicht sind die Verhaltensweisen von Thorsten Heise und seinem Interviewer und NPD-Kollegen Patrick Weber spannend: Der Stellvertreter von Heise, Patrick Weber, der sicher auch über die Ladig-Identität informiert ist, wirkt im Interview sehr nervös, schnappt nach Luft und verdreht die Augen genau zu dem Zeitpunkt, als Heise sagt, Ladig sei nicht Höcke, und Heise begeht kurz darauf die freudsche Fehlleistung und spricht Höcke mit „Also Herr Ladig, äh, äh, äh … “ an. Dieser Live-Auftritt wirkte nicht überzeugend.

Bleiben wir zunächst jedoch beim Widerspruch zwischen Bernardy und Heise: Falls Bernardy recht hat, dass es eine zweite Person gibt, die unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ schreibt – und stilistisch sieht es danach aus -, dann wäre die Frage, warum plötzlich eine zweite Person beginnt, unter Pseudonym zu schreiben und warum Heise behauptet, es gäbe nur eine Person, die unter dem Namen „Landolf Ladig“ publiziert. Die logische Antwort wäre: Heise will Höcke schützen. Denn ein Argument für die Identität von „Ladig“ und Höcke war der Umstand, dass genau in dem Moment, in dem Höcke öffentlich in die AfD eintritt, „Ladig“ seine Artikelproduktion einstellt. „Ladig“ und Höcke gaben sich quasi die Klinke in die Hand.

Stellt sich nur noch die Frage, warum der Neonazi Thorsten Heise die Verbindung zwischen Höcke und „Ladig“ nicht aufklärt, warum allem Anschein nach sogar ein zweiter „Ladig“ als Nebelkerze zum Schutz von Höcke installiert wurde.

Höckes AfD – Vorfeldorganisation von Heises NPD

Heise und Höcke scheinen politisch gar nicht so weit auseinander zu liegen. Beiden Parteipolitikern scheint die Partei selber gar nicht so wichtig zu sein, vielmehr geht es um die Bewegung. Und Heise sagt ganz offen, dass er die AfD als Vorfeldorganisation der NPD sieht. Dies hatten vorher ähnlich deutlich schon andere NPDler so geäußert. Schon 2013 hatte der NPD-Vorsitzende Frank Franz betont, der AfD komme “ – natürlich ungewollt – eine Eisbrecher- und Türöffner-Funktion“ für die NPD zu. Frank Franz bezog dies damals allerdings nur auf die EU-Politik. Bei Heise und Höcke scheint es da sehr viel mehr Überschneidungen zu geben. Höcke bereitet den Weg, durch den dann Heises Leute (NPD, Die Rechte, Dritter Weg, Freie Kameradschaften) marschieren können. Die AfD meldet für 2017 die 1.Mai-Demonstration in Erfurt an, Heise hat angekündigt, dass 2018 die 1.Mai-Demonstration als NPD-Demo angemeldet wird.

Abschließend möchte ich in dieser Sache auf ein „Argument“ eingehen. Es wird behauptet, es gäbe keinen Beweis für die Identität von „Ladig“ mit Höcke, sondern nur Indizien. Diese Unterscheidung ist unsinnig. Denn es gibt keine einzelnen Befunde („Beweise“), die nicht hinterfragbar wären – auch Geständnisse, Filmaufnahmen, Zeugenaussagen, eidesstattliche Versicherungen garantieren keinen Wahrheitsgehalt. Auch diese „harten“ Befunde weisen nur auf Tatvorgänge hin, sie zeigen sie nur an, indizieren diesen Vorgang. Für sich alleine beweisen sie gar nichts. Es gibt also nicht den einzelnen Beweis, sondern immer nur beweisanzeigende Tatsachen: Indizien. Ein Beweis liegt dann vor, wenn Indizienreihen und -ketten ein Indizienmosaik ergeben, welches andere Erklärungen nicht mehr plausibel erscheinen lässt. Letztlich geht es also um die Frage, ob die Gesamtheit der Indizien überzeugend ist. Um diesen subjektiven Faktor kommen wir nicht herum.

Die Indizien für die Identität von Höcke und „Ladig“ sind so dicht, dass jede andere Möglichkeit unwahrscheinlich ist. „Ladig“ hat von Höcke plagiiert, Höcke hat von „Ladig“ plagiiert, „Ladig“ beschreibt Höckes Wohnhaus, Höcke kennt den Herausgeber von „Ladigs“ Schriften, „Ladig“ und Höcke sind die einzigen, die Wortkombinationen wie „organische Marktwirtschaft“ und „aufpotenzierende Krisendynamik“ benutzen und die das Opus Magnum „Der deutsche Genius“ mit „Genius der Deutschen“ verwechseln, usw. Ich muss das hier nicht alles wiederholen. Hinzu kommt jetzt noch, dass anscheinend ein zweiter „Ladig“ installiert wurde, was – wenn dies stimmen sollte – auf eine gemeinsame zukünftige politische Arbeit der AfD- und NPD-Vorsitzenden von Thüringen, Björn Höcke und Thorsten Heise hinweist und zwar unter der Prämisse, dass Heise jederzeit aufdecken kann, was „Ladig“ und Höcke miteinander zu tun haben.

Wir werden sehen, wie es weiter geht.


Bundeswehr: Terror-Pläne und AfD-naher Meutereiaufruf

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Konkretes Anschlagsziel: Amadeu Antonio Stiftung

Ein Terrorismus-Netzwerk in der Bundeswehr plante anscheinend konkret einen Anschlag auf die Amadeu Antonio Stiftung. Detailliertere Angaben als bei den Angriffszielen auf Prominente wie bspw. Jusitzminister Heiko Maas, dessen Name sich u.a. neben Gauck auf einer „Todes-Liste“ befindet, finden sich zur Stiftung, heißt es im SPIEGEL: „Noch detaillierter wird die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin als Ziel beschrieben, sogar eine Skizze des Berliner Büros lag der Liste bei.“ http://www.spiegel.de/…/fall-franco-a-hinweise-auf-konkrete…

Elsässers Compact-Magazin hetzte gegen Amadeu Antonio Stiftung

Die Amadeu Antonio Stiftung wurde in den letzten Monaten vor allem von der AfD und AfD-nahen Strukturen angegriffen. Das AfD-nahe Compact-Magazin, welches mit einem Coverbild gegen Maas hetzte, veröffentlichete gleich mehrere Hetzartikel gegen die Amadeu Antonio Stiftung, die gegen die Neue Rechte eine Broschüre veröffentlicht hatte. „Denunziationsbroschüre“, „Inquisitionsbroschüre“, „Schaum vor dem Mund“, „Anleitung zur politischen Kriechtierzüchtung“, „Das Beispiel zeigt, wer und was im Zeitalter der Maas-Diktatur auf die Bürger losgelassen wird“, „Gesinnungsterror“, „Schmutz-Projekt“, „Spitzelbroschüre“, „Stasi 2.0“, „abstoßende Hate-Speech-Broschüre“, „Inquisitionsstiftung“ sind nur einige Kennzeichnungen für die Stiftung bzw. ihre Broschüre. Die Stiftung sah sich gezwungen mit einer Unterlassungserklärung gegen das Compact-Magazin vor zu gehen.

Elsässers „Aufruf an unsere Soldaten“: „… werdet selbst aktiv!“

Brisant ist, dass es neben der Hetzkampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung auch einen direkten „Aufruf an unsere Soldaten“ gab, illegal aktiv zu werden. Der Herausgeber des Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, hatte diesen offenen Brief an die Bundeswehr veröffentlicht. Die Soldaten sollten in den Kasernen diskutieren, wie sie gegen den „Hochverrat“ von Angela Merkel aktiv werden können. Es ging in diesem „Aufruf an unsere Soldaten“ konkret um die Migrationspolitik, die Elsässer als „Invasion“ diffamierte. Elsässer:

„In einer Situation, wo von der Staatsspitze selbst Gefahr für dieses Volk und seine Freiheit ausgeht, seid Ihr nicht mehr an Befehle dieser Staatsspitze gebunden. Diese Situation ist jetzt erreicht. […] Wir befinden uns bereits im Notstand. Die Bundesregierung hat die Kontrolle verloren – oder besser gesagt: absichtlich aus der Hand gegeben. Damit hat sie ihre Legitimität verloren! […] Die Bundesregierung löst durch die Stimulierung eines unkontrollierten Massenzustroms den Staat auf, hebt die staatliche Ordnung aus den Angeln! In dieser Situation kommt es auf Euch an, Soldaten der Bundeswehr: Erfüllt Euren Schwur und schützt das deutsche Volk und die freiheitliche Ordnung! […] Diskutiert die Lage mit Euren Kameraden und werdet selbst aktiv! Nur Ihr habt jetzt noch die Machtmittel, die von der Kanzlerin befohlene Selbstzerstörung zu stoppen.“

Jürgen Elsässer und das Compact-Magazin gehören zum Unterstützungsnetzwerk des faschistoiden AfD-Flügels um Björn Höcke. Höcke hatte die Bundespolizei aufgerufen, den Vorgesetzten nicht mehr zu folgen. Auch Höcke polemisierte öffentlich mit Postings gegen die „Hetzjagd“ im „Gesinnungsstaat“ der Amadeu Antonion Stiftung.


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